Dienstag, 27. Februar 2007

Eine Skitour, eine Thermoskanne aus Taiwan und endlich die Sonne


Letzte Woche hab ichs endlich gebacken bekommen hier oben Skifahren zu gehen. Meine Ski sind zwar schon vor fast zwei Wochen mit meinen Schuhen angekommen, aber irgendwas hat nie gepasst. Schon vorher hatte ich mir mit anderen im Internet noch nötiges Zubehör für Skitouren bestellt, also Felle und Alpine Trekker Adapter für meine Alpinbindung. Dann kam auch noch die Bestellung von Lawinenbeeper, Schaufel und Sonde sowie Helm. Jetzt konnte es also losgehn.
Naja nicht ganz, die Felle mussten noch zugeschnitten werden – ungeschickterweise ist das für ungeschickte nicht ganz so leicht. Die Felle haben eine klebende Seite, die später auf die Skier gebappt wird und eine Laufseite, die kleine gerichtete Stoppel hat. Die gerichteten Stoppel bewirken, dass ich nicht zurückrutsche beim Laufen. Jetzt wieder zu der klebenden – die klebt nämlich ziemlich stark und überall, besonders aber dort wo sie nicht kleben soll (siehe Murphy…).
Die heutigen Skier sind tailliert, die Felle aber gerade, also müssen sie erstmal zurrecht gestutzt werden. Es könnte ja so einfach sein: Fell auf die Skier kleben und links und rechts überschüssiges Material abschneiden, aber nein, die beiden Stahlkanten sollten frei sein zum traversieren. Jetzt versuch mal einen noch 2 m langen 13 cm breiten schrecklich klebenden Streifen auf den Millimeter genau auf deinen taillierten Ski aufzukleben. Hätte sich nicht irgendwann ein Nachbar das unterdrückte Fluchen wenn das Band wieder an sich selbst, Boden oder Pulli kleben blieb nicht mehr anhören können, ich würde immer noch da sitzen.
Dann war es wirklich soweit. Obwohl ich eine normale Alpinbindung habe, kann ich mit den Adaptern wie mit einer Telemarkbindung (Ferse frei) laufen. Oben kann ich dann den Adapter herausnehmen und ganz noch mal meine Schuhe einklicken. Der Nachteil an dieser improvisierten Telemarkbindung auf Zeit ist ganz klar das Gewicht. Hinzu kommen noch die schwereren Schuhe und die im Vergleich zu den hier verwendeten Telemark- oder Fjellskiern monströsen Freeridelatten.
Das gude hier an Spitzbergen ist, ich schnall die Skier vor der Haustür an und ab geht’s. Fast hätte ich ja noch vergessen zu erwähnen, dass wir natürlich ein Gewehr mit uns haben und noch signal pens, das sind Stifte auf die Einzelmunition aufgeschraubt werden kann, die ca. 30 m fliegt und dann in unterschiedlichen Farben explodiert.
Schon nach wenigen hundert Metern merke ich, dass das heute ein ganz schönes Stückchen Arbeit ist. Zudem ist die Bewegung vollkommen ungewohnt. Wir haben gerade die Moräne des Gletschers erreicht und ich bin schon ziemlich am schnaufen. Gerade in den Abschnitten, die zu steil zum gerade hoch laufen sind, merke ich den Adapter. Versuche ich zu traversieren, hat mein Schuh im Adapter ein wenig Spiel und der Ski rutscht von der Kante weg.
Nach mehr als 2 Stunden haben wir die Plackerei hinter uns gebracht und schaufeln eine kleine Sitzmulde für uns in den Schnee und bauen einen improvisierten Windschutz aus einem Jervenduk. Die Abfahrt belohnt und entschädigt für all die Qualen des Aufstiegs. Noch besser: Die Mädels mit ihren leichten schmalen Ski kommen den Hang im windverpressten Schnee kein Meter zurrecht und ich geh ab. Kein powder aber immerhin.
Das lustige an der ganzen Skisache hier oben ist die unterschiedliche Auffassung der Tour. Für die meisten Skandinavier ist das Ziel der Touren der Gipfel, danach wird nur (!) nach unten nach hause gefahren. Ich nehm das quasi andersherum und das Hochdappen als schönes aber nötiges Übel um eine geile Abfahrt zu haben.


Zwei Tage später sind wir wieder am Start. Diesmal nur zu zweit und ein wenig ambitionierter. Großziel: die Sonne. Ist schon ein paar Tage her seit dem 4. Januar…also aufi geht’s. Jetzt weiß ich ungefähr was mich erwartet und ich komme schon besser die Moräne hoch. Leider waren wir beide noch nicht auf dem Trollstein gewesen, unserem Ziel. Also brauchen wir vor dem richtigen Gipfel noch ein wenige mehr Zeit, weil wir keine geeignete Aufstiegsroute finden. So queren wir im steilen Bereich unter dem Gipfel noch ein wenig munter hin und her – langsam könnten wir ja schon ankommen! Ich bin müde, meine Beine auch und die Sonne ist bestimmt auch keine Stunden mehr zu sehen.
Am schmalen Gipfelgrad angekommen schnalle ich ab und kraxele die letzten Meter, die kein Ende haben wollen. Immer höher steige ich und immer mehr vom Horizont sehe ich und was ich sehe gefällt mir, denn es ist sonnenerleuchtet. Die Spannung steigt mit jedem Schritt in unermessliche Höhen. Trotz aller Anstrengung bin ich ein wenig aufgeregt. Noch ein Schritt, noch einer und dann und dann – da ist das Ding: Ich sehe die Sonne und stehe mittendrin. Vorher hatte ich kurz an schwerfällige Worte alla Neil Armstrong „Ein kleiner Schritt für einen Menschen…“ gedacht, aber in diesem Moment erfüllt ein ungeheures Glücksgefühl meinen ganzen nass geschwitzten Körper und ich bekomme eine Gänsehaut. Alles entlädt sich in einem langen „Yeeeeeeeeeeeeeeeeees“ und ich stehe vollkommen glücklich irgendwo am Ende der Welt unterhalb eines Gipfels und gucke in die Sonne! Wahnsinn, wie schön doch die Sonne ist. So hell und so rund. Ich hätte gedacht einen kleinen Teil der Sonne am Horizont zu sehen, aber vor mir schwebt der pralle Ball und lacht mich an. Ich lach zurück, oh und wie ich zurück lache! Das Wetter passt zur ganzen Harmonie und so können wir bei Windstille über eine halbe Stunde gemütlich dasitzen, Tee trinken, ein gefrorenes Brot lutschen und überaus glücklich sein. Aber hey, das beste kommt ja noch: die eigentliche Belohnung für die ganzen Strapazen! Vor mir liegt ja noch ein fast unverspurter Hang, der zu allem Überfluss knapp 20 cm Neuschneeauflage hat und nur darauf wartet von mir verspurt zu werden! Oh ja, dem kann ich helfen! Bam ba bam bam, yes geht es ab. Es ist wie im Rausch, alles geht von alleine und ich schwebe fast dahin. Zu schön um wahr zu sein. Lustig auch, dass man bei der Abfahrt das Meer sieht, passt so gar nicht!

Aber leider hat jeder Traum spätestens am Morgen sein Ende, so geht es auch diesem Hang. Noch die steile hochgequälte Moräne runter, da bin ich schon wieder unten. Vom Feeling her ist es ein geiles Gefühl (Danke Andy M. für diese klugen Worte, die so passend sein).
Gestern früh war ich wieder auf der Suche nach Sucht und bin früh los. Ein gar lustiges Erlebnis hatte ich mit Marco in der Mittagspause. Ich hatte endlich selbst an eine Thermosbottle gedacht, die Rechnung aber ohne die taiwanesischen Facharbeiter gemacht. Da ist doch glatt die Aufschraubtasse an der Flasche festgefroren. Also Handschuhe aus und weiter drehen, drücken und alles zusammen. Leider hat sich daraufhin nur die zusammengeklebte Becherhülle von der Becherinnenseite gelöst, was mich meinem Ziel - dem heißen schwarzen Tee mit viel Zucker - auch nicht näher bracht. Marco wollte mir nicht glauben und versuchte es selber – mit gleichem Erfolg. Schließlich hingen vier frierende Hände an einer kleinen Thermoskanne mit heißem Inhalt und versuchen verzweifelt den verdammischten Deckel abzuschrauben. Aber da ging mal gar keiner und schließlich mussten wir der Kälte Tribut zollen und geschlagen unsere steif gefrorenen Finger wieder in die dicken Fäustlinge stecken. Den Teebecher konnte ich erst wieder in der warmen Küche abschrauben…
Immer wieder hart ist das Gefühl, wenn die Finger nach ungefähr 10 min wieder von Leben erfüllt werden. Der Schmerz raubt einem kurz den Atem und man möchte schreien, es klappt aber nicht. Also bei so ein paar Grad minus und vielleicht noch Wind ist wirklich Vorsicht angesagt, aber bisher bin ich mit den seidenartigen Innenhandschuhen drunter immer ganz gut gefahren.

Die Woche beginnt offiziell das Internationale Polarjahr und wir haben keine Vorlesungen um unseren Laborbericht zu schreiben. Dazwischen wird ich mich mit Sicherheit das ein oder andere Mal zum powdern hochquälen…es lohnt sich!

Mittwoch, 21. Februar 2007

Treue Gefährten und Trapperromantik ohne Romantik

Was war das für ein Wochenende!? Eigentlich habe ich jetzt schon mit Ausnahme des Eisbären alles gesehen und erlebt was ich hier bis zum Sommer vorhatte…ich könnte also schon früher… neeeeeeeeeeeeeiin!
Also zum Wochenende: Donnerstag wurde ich gefragt ob ich nicht Lust hätte mal ein wenig Hundeschlittenfahren zu gehen. Klar warum nicht?! Wenn da nicht diese klitzekleine Angst vor allen Vierbeinern wäre. Schon in Deutschland versuchte ich es mit einer Art Schocktherapie, also einfach auf den kleinen kläffenden Dackel zugehen und die Ruhe selbst sein. Zumindest äußerlich hab ich das bisweilen ganz gut hinbekommen, warum also nicht hier mit ein paar Schlittenhunden. Alla, die Hunde hier oben kochen auch nur mit Wasser – wenn sie denn irgendwann mit kochen anfangen sollten...
Das Beste an der Sache war noch, dass wir für Umme mitfahren konnten um die Hunde zu „trainieren“. Ein bisschen schlechtes Gewissen bekam ich ja schon als ich den einen Touristen sah, der für das Wochenende ca. 200, 250 Euro löhnen musste, aber so ist das Leben halt.
Pia und ich wurden dann am Samstag schon früh von der Frau vom Chef abgeholt und zum außerhalb Longyearbyens gelegenen Hof gebracht. Kaum war die Jeeptür ein Stückchen auf, wurden wir von einem stürmischen wauwau aus unzähligen heiseren Kehlen begrüßt. Hört sich ja noch ganz nett an, aber langsam wird mir beim Gedanken an zwei Tage und knapp vierzig Hunde doch ein bisschen flau im Bauch.
Eine kurze Einweisung was wir überhaupt beachten müssen bekommen wir in der kleinen Hütte. Und dann betritt der Cheffe selbst die Bühne: Anton. Nicht ganz der Name, den ich von einem harten Mann in Spitzbergen der in des Sturmes Auge geschaut hat, erwartet hätte, aber Ok. An den Schlitten erklärt er uns sehr kurz und angebunden wo wir alles verstauen sollen und dass wir jetzt die Hunde holen müssen. „Ach, und du Stephan, du bekommst acht Hunde“. Acht Hunde?! Alle für mich alleine? Soll ich mich lächerlich machen und meine kleine Angst vor deutschten Stadtdackeln erzählen? Besser nicht, sonst ist das Wochenende rum bevor es überhaupt angefangen hat. Pokerface aufgesetzt und rein zu den Hunden. Sehen nicht grad sympathisch aus, wie sie so zähnefletschend an ihren Ketten zerren und offensichtlich nach meinem Leben trachten. Vielleicht spielt meine Phantasie mir auch nur ein übles Spiel. Die Hunde werden einzeln an eine Kurzleine eingeklickt, dann von ihrer Hüttenkette gelöst und zu den Schlitten gebracht. Besser gesagt die Hunde ziehen uns regelrecht zu den Schlitten. Dort werden sie an die Hauptleine pärchenweise festgemacht und wieder von der Kurzleine ausgeklickt. Was ein hin- und hergestöpsele aber gut. Schließlich muss den guten Hunden noch eine Art Schlaufenkorsett übergestülpt werden um den Druck später beim Laufen auf den ganzen Körper zu verteilen. Dieses Korsett gleicht einem Klettergut in klein und kompliziert. Hier muss der Kopf rein, dort ein Bein durch und da das andere raus, nein sieht nicht gut aus. Noch mal von vorne und dabei trennen mein Gesicht und das Schlabbermaul des Huskies nur Zentimeter. Zum Glück hat der Hund weit mehr Erfahrung als ich und man hat wirklich das Gefühl der lacht mich aus wenn ich wiedermal ein Pfötchen falsch eingeschlauft habe. Was auch auffällt, die eben noch „wilden“ Hunde sitzen mucksmäuschenstill vor mir und bedauern mich ein bisschen wie ich mit feuchten Händen und hämmerdem Herzschlag vor ihnen kauere und verzweifelt mit all den Schlaufen, Ösen und Pfoten kämpfe. Mit jedem Hund wächst aber meine Erfahrung und ich komm mir bei den letzten Hunden schon fast wie ein alter Trapper vor, der sich um seine treusten Gefährten kümmert. Dann geht’s endlich los! Die Hunde schmeißen sich richtig in ihr Geschirr und wir rauschen davon. Supergut ist auch, dass die Hundeschlittensaison jetzt erst beginnt, es gibt also noch keine ausgefahrenen Tracks. So schön das mit der unberührten Landschaft aber auch ist, für die Hunde ist es umso schwerer, sie müssen sich durch den tiefen weichen Schnee wühlen und mich auch noch mitziehen. Die Leistung der Hunde schätzt man erst richtig ein, wenn man mal versucht ein paar Meter neben dem Schlitten her zu rennen. Wahnsinn, nach zehn Schritten geht mir die Pumpe wie beim Axel nach ner halben Runde und ich bin froh mich wieder auf den Schlitten stellen zu dürfen. So cruisen wir durch die herrlichen Täler Spitzbergens, einen klein Pass hier hinauf um wieder in ein noch schöneres Tal zu kommen. Unendliche Weiten… alles ist schneebedeckt, hier und da schauen die dunkleren Felsen heraus und geben einen wunderschönen Kontrast. Die Erdbeere auf der Torte bildet die Sonne! Wir sehen sie selbst noch nicht, aber an den höheren Gipfeln kann man schon eine scharfe Grenze zwischen den Bereichen die schon angestrahlt werden und denen die noch im Schatten sind erspähen. In Richtung der Sonne ist der Horizont gelbgoldrot gefärbt. Einfach herrlich. Kein Foto kann so einen Eindruck festhalten und nicht einmal ein wahrer Minnesänger würde das Spektakel entsprechend wiedergeben können. Vollkommen überwältigt von den Eindrücken merkt man gar nicht wie die Zeit vergeht. Doch langsam senkt sich auch dieser schöne Tag zur Neige und wir wollen nach einer letzten Überquerung einer Eisfläche unser Lager für die Nacht aufschlagen. Das Problem an solchen Eisflächen ist, dass die Hunde nicht genügend Grip haben und der Schlitten, da er keine Stahlkufen besitzt, in Kurven mehr oder weniger unkontrolliert durch die Gegend rutscht und schutzlos den Zentripetalkräften (oder waren es doch die Zentrifugalkräfte…scheiße Physik muss ich ja auch noch machen!) ausgeliefert ist. Gerät der Schlitten erst mal ins schlittern, können sich die Hunde nicht mehr halten und werden einfach durch den Schlitten vom Kurs abgelenkt. Hier kommt es mehr als irgendwo anders auf die Qualitäten des Leaderdogs an, der das ganze Gespann führt, lenkt und vorantreibt. Wer schon mal Bücher zum Beispiel über den Iditarod gelesen hat wird immer wieder bemerken, welche besondere Beziehung die Musher zu ihren Führungshunden haben. Es sind beste Freunde die sich blind verstehen und sich aufeinander verlassen. Ganz so dramatisch und gefährlich wie beim Iditarod ist die Situation hier zwar nicht, aber trotzdem merkt man auch als Anfänger ganz schnell was so ein Hund drauf hat. So zeigt sich schon ein riesen Unterschied zwischen dem Leaderdog des ersten Teams und denen der drei anderen Schlitten. Es liegt wohl irgendwie in den Genen, nicht alles kann man antrainieren.
Es wird Zeit unser Camp aufzubauen. Mit Freude stelle ich fest, meine erste Nacht in einem Hilleberg-Zelt verbringen zu können. Mein neuer Valandré wird zu einem weiteren Härtetest kommen. Anton hats echt drauf. Gegen seine Skills komm ich mir beim hiken in Norwegen wie ein Pauschaltourist auf Malle vor. Was total Abgespactes zeigt er uns beim Zeltaufbau: Wir haben vielleicht 15, 20 cm Schneeauflage auf dem gefrorenen Boden und der Schnee hat keine richtige Verbindung zum Unterboden.. Wie befestige ich da einen Hering ordentlich, dass er auch einem kleinen Sturm standhält? Man friert ihn ein! Das besondere an den Heringen ist, dass sie zwei Löcher in der Mitte des Schaftes haben, durch die eine kurze Schnur gelegt ist. An der entsprechenden Stelle wird der Schnee bis zum Permafrost aufgegraben, der Hering flach der Länge nach hineingelegt und wieder mit Schnee bedeckt. Dann tritt man den Schnee fest, schaufelt neuen darüber und komprimiert ihn weiter. Chemisch-physikalisch kann ich das nicht ganz erklären, aber der Schnee wird zu einer Art Konkreation und geht eine Verbindung zum gefrorenen Boden ein. Nach einer halben Stunde kann man das Zelt bzw. die Abspannseile in die kurze Schnur einklinken und fertig ist das Wunder.
Es folgt ein gemütliches Abendessen zu viert im Zelt ohne Kerzenlicht. Nicht nur deswegen ist von der Trapperromantik, die in so vielen Werbungen, Büchern und Filmen gezeigt und gepriesen wird, nichts zu sehen. Kein überdimensionales Lagerfeuer, kein Hund im Arm, keine Wiskyflasche, die die Runde macht. Vielmehr ist es ein Dagesitze und Erzählen von Erlebnissen mit ein wenig Tee. Es wird einem wirklich bewusst, man befindet sich hier in einer Region, die nicht ganz ungefährlich ist. Kälte zum einen, aber auch die ständige Möglichkeit einen Eisbären zu begegnen. Also Tee statt Trapper-Wisky…das Gewehr ist jederzeit griffbereit am Zeltgestänge angebunden. Ein Tripwire, die normalerweise um die Zelte zur Eisbärabsicherung gestellt werden, benötigen wir wegen all der Hunde hier nicht. Im Kollektiv fühlen sie sich stark genug einen Eisbären zu jagen und auch zu attackieren; wollen wir es aber nicht darauf ankommen lassen.
Die Nacht ist wunderschön. Weil wir so weit außerhalb Longyearbyens sind gibt es kaum Restlicht. Man sieht also Tausende von Sternen von denen man nicht zu träumen gewagt hat. Zum Dessert gibt es an diesem Abend Nordlichter! Über den ganzen Himmel tanzen sie von weiß bis tief grün. Auch wenn ich mich wiederhole, man steht oder liegt wirklich nur da schaut nach oben und freut sich wie ein kleines Kind beim Auspusten der Geburtstagskerzen. Es gibt ohne Zweifel nichts Schöneres auf der Welt als diese tanzenden Lichter oben am Firmament. Absolute Vollkommenheit. Wenn eine 10 keine 10 geworden wäre, sie wäre ein Nordlicht! Glücklich und zufrieden mummel’ ich mich in meinen Schlafsack.


Pünktlich um 8.30 gibt es Frühstück. Minus 23 Grad. Zusammenpacken und wieder zu den Hunden zum Korsettanlegen. Ich bin gerade mit dem ersten Pärchen fertig, da gibt ein Hund eine Reihe vor mir seltsame Laute von sich. Ich drehe mich um und gucke geradewegs in einen rosa, pulsierenden, erigierten Hundepenis…klasse! Noch keinen Kaffe getrunken, aber schon ein Hundedödel im Gesicht, fängt ja gut an. Erstaunlicherweise weist der Dödel bei genauerer Betrachtung von der Seite keine Eichel auf, er ist vielmehr vorne stumpf…naja überlassen wir das besser den Hunden, die haben das ja schließlich schon ein paar Jahre hinbekommen. Ungeschickterweise wäre dieser Hund aber gerade an der Reihe sein Korsett verpasst zu bekommen. Ich will ihm noch einen Augenblick lassen, sich ein wenig „abzukühlen“ und beginne mit einem anderen Hund. Da höre ich schon wieder komische animalische Laute von der Seite. Ich drehe mich um und muss zu meinem Erschrecken feststellen, dass der eben korsettverschonte Hund gerade aufs übelste seinen Nebenmann oder Nebenfrau durchpimpert. Ich will mich ja nicht einmischen aber eigentlich müsste ich ja…
Irgendwann ist auch das geschafft und wir können endlich starten. Wieder zeigt sich das Wetter von seiner besten Seite, aber ich merke irgendwie, dass vom ganzen mehr oder weniger Rumstehen auf dem Schlitten meine Zehen ganz schön kalt werden. Auch der Versuch immer mal ein wenig nebenher zu laufen hilft nix mehr und ich finde mich damit ab mit zwei kleinen Eisbergen in den Schuhen nach Hause zu kommen. Der Tag wird wunderschön, viele unverspurte Hänge geht es hinauf und auf der anderen Seite wieder hinab. Der Gedanke ans freeriden lässt mich nicht mehr los. Nächste Woche muss es endlich losgehen. Powderaktion in Spitzbergen – come on!
Als wir gegen 6 schließlich den kleinen Hof erreichen, die Hunde wieder zurück an ihre Hütten bringen und alles Equipment wieder einsortieren, merkt man schon die Anstrengungen der letzten beiden Tage. Aber gelohnt hat es sich auf jeden.
Beim Ausziehen der Wollsocken bin ich schon ein wenig erleichtert, keine Farbveränderungen an den Zehenspitzen zu sehen. Soweit so gut, aber zumindest die Zehen des rechten Fußes fühlen sich alle ganz fest und irgendwie vielleicht geschwollen an. Dazu kommt noch das Gefühl, wie wenn einem ein Arm oder Bein eingeschlafen ist. Langsam wärme ich den Fuß auf, aber das stumpfe Gefühl bleibt und beim Gehen ist jetzt immer noch dieses komische Bitzeln zu spüren. Naja, wer hat mir denn auch gesagt, dass ich die Spezialcreme von Mama Schubert, die mich die ganze Zeit vor all den Frostbeulen im Gesicht geschützt hat, auch auf meine Füße tun soll…? Es sind wohl nur ein paar Frostbeulen, die ohne bleibenden Schaden sind, ich muss nur aufpassen, dass die Füße nicht in nächster Zeit wieder etwas abbekommen, denn jetzt bin ich quasi vorbelastet und die Chance auf bleibende Schäden ist höher. Dafür hatte ich aber ein Hammerwochenende, das alles was man sich von einer kleinen Tour hier oben nur erhofft kann in Erfüllung hat gehen lassen.

Dienstag, 13. Februar 2007

Ein etwas anderer Uni(all)tag

Gestern war wieder einer der Tage, der so ganz nach meinem Geschmack war: Es stand ein Scooter-Kurs für die Studenten an und dafür wurden sogar unsere Vorlesungen verschoben! Einen kleiner Haken hatte die ganze Sache wie so oft allerdings, und den schon sehr früh. Sprich – ich musste früh aufstehen. Schon fast aus Routine erst mal an den Laptop und das Wetter checken. Gut, 15 Grad Minus und ein wenig Wind. Schnell ein bisschen Reservekleidung einpacken, frühstücken, noch mal zurück – hab ich alles dabei? – ja, gut dann kanns ja losgehen. Vor der Tür die Nase nochmal prüfend in den Morgen halten, Nasenflügel kleben – Temperatur stimmt also. Bei den nächsten Barakken sehe ich eine andere Deutsche, die vorteilhafterweise ein Auto hat…fängt ja gut an! Ich komme nicht zu spät, muss nicht laufen und kann sogar noch in paar Islandponies vor der Uni besuchen um die sich Anne kümmert und deshalb auch das Auto hat.
Zuerst ein wenig Theorie, quasi alles und jeder hat hier oben Vorfahrt vor den Schneemobilen, sogar die Rentier! Aus der grauen Theorie wird aber ganz schnell Praxis und dass diese beiden oft ziemlich unterschiedlich sind, wird spätestens hier klar: Wie wechsele ich einen Keilriemen am Schneemobil? Ich wusste noch nicht einmal wie so was übehaupt am Auto aussieht, geschweige denn wie man das Stück auswechselt. Sogar der Chefausbilder benötigt einige Handgriffe, eine böse Vorahnung macht sich bei uns breit. Nach einer Minute grinst er uns dann mit pechschwarzen Händen an – jetzt sind wir dran; jeder einzeln an jedem Scootertyp. Also wo ist der Ersatzriemen bei diesem Typ doch gleich und wie bekomme ich den alten raus um den neuen Riemen einzusetzen? Ärmel hoch und rein ins Vergnügen! Is doch nicht ganz so einfach: Da drehen und gleichzeitig drücken…soweit so gut, doch jedes Mal wenn ich den Spalt zwischen den beiden Backen, die den Riemen dann zusammenpressen sollen, soweit geöffnet habe, dass der neue Riemen reinpasst (bzw. reinpassen würde), fehlt mir aus unerfindlichen Gründen mindestens eine Hand. Also wieder von vorne! Fast hab ich das störrische Ding in der Öffnung – Mist da muss ja noch meine Hand raus – nehme ich aber die Hand raus sind beiden Eisenscheiben wieder zusammen…ein Teufelskreis. Und jetzt versetzt man sich zumindest gedanklich irgendwo in ein einsames Tal in Spitzbergen, es ist dunkel, es ist kalt, der Wind bläst dir direkt ins Gesicht, aber der Keilriemen muss gewechselt werden! Zu allem Unglück kommt dann noch hinzu, dass man ja schon eine Weile gefahren ist und alle Teile im Motorraum entsprechend heiß sind…Zum Glück sitze ich nur in einer Garage der Uni und hoffe inständig, dass mir das nie passiert.
Naja nachdem diese Hürde letztendlich genommen ist, geht’s endlich nach draußen. Na, nicht so voreilig: Erst werden wir noch mit Scooter-Anzügen, speziellen Gesichstmasken, Handschuhen, Brillen, Helmen und zuletzt noch Monsterstiefeln ausgestattet. Allein beim Gedanke an all die Sachen bekommt man einen Hitzschlag, aber da man sich nicht allzu sehr auf dem Scooter beim Fahren bewegt, ist das alles notwendig. Ganz wichtig ist auch, dass die gesamte Haut winddicht geschützt ist, sonst bekommt man ganz schnell Frostbeulen. Sicherheit steht bei allen Sachen von UNIS an erster Stelle, und das ist auch gut so!
Vom fahrerischen Aspekt ist das Schneemobil nicht sehr kompliziert. Unsere Modelle haben nur einen Gang plus Rückwärts, Bremse, Gas, Licht und das wars auch schon eigentlich. Daneben gibt es noch ein paar Kleinigkeiten wie Sitzheizung oder Heizung für die Lenkung. Endlich geht’s los: Jeder (!) bekommt einen eigenen Scooter für den Kurs von der Uni für den Tag gestellt! Wie an einer Perlenkette aufgereiht macht sich unsere kleine Gruppe auf. Bei jedem sich bietenden „Hindernis“ wird angehalten und der Chefausbilder, zu dem sich zur Unterstützung ein zweiter mit einem riesigen Messer am Gürtel gesellt hat, erklärt ganz genau wie man sein Gewicht verlagern muss, worauf noch zu achten ist, welche Spur ich wählen muss usw. Bei schwierigen Passagen wird einzeln gefahren und der gude Mann bespricht am Start meist die Fahrt des Vordermannes, an der man sich dann orientieren kann. Dass das Ganze auch seinen Sinn hat und nicht übertriebenes Sicherheitsgetue ist wird an einem kurzen aber sehr steilen Hang offensichtlich, als ein Student mit zu wenig Geschwindigkeit in den Hang rein gefahren ist; im Hang ist es meist zu spät noch mal an Geschwindigkeit zuzulegen. Um es kurz zu machen der Scooter flippt, fällt also quasi aus dem steilen Gelände raus. Das sieht dann mehr oder weniger so aus wie bei den Hillclimbing-Wettbewerben mit Motorrädern, die es immer mal auf DSF zu sehen gibt, wenn einem Teilnehmer sein fahrbarer Unersatz wegkippt. Zum Glück kann der Student abspringen aber leider zur falschen Seite, also nach unten. Da hat er wiederum Glück, weil das Schneemobil nicht runterpurzelt, sondern auf der Seite liegen bleibt. Generell ist es von Vorteil (wenn man es schafft), über das Mobil abzuspringen, dass man nicht, wenn es doch herabpurzelt, getroffen wird. Ist aber alles noch mal gut gegangen!
So verbringen wir den Tag mit steilen Kurven, Abfahrten, Hängen und Abschnitten mit fast ebenem Gelände. Man muss sich erstmal an das Gefühl gewöhnen, nicht angeschallt zu sein. So zu sagen hat man nämlich aus Sicherheitsgründen keinen Sicherheitsgurt, um in einer Situation wie am Hang noch rechtzeitig abspringen zu können. Fährt man aber ein wenig schneller auf einer Ebene, muss man sich ganz schön festhalten. Jede kleine Bodenwelle überträgt sich auf den Lenker und da bemerkt man, Mist, die Lenkerheizung ist noch an! Die wird immer wärmer, besonders wenn man sich ganz schön fest an den Lenker krallt. Und der nächste Stopp will und will nicht kommen. Während der Fahrt eine Hand vom Lenker nehmen um irgendwo nach dem Schalter zu suchen ist auch nicht die beste Lösung. Irgendwann ist es dann geschafft und man muss sich eingestehen, nach vier Stunden Fahrt fühlt man zumindest im Rücken und den Armen dass man etwas gemacht hat. Absetzen, gute Miene zum bösen Spiel machen und in an Lässigkeit nicht zu übertreffender Bruce Willis Manier wie in Armageddon den Helm unter den Arm nehmen und zur Uni zurück schreiten um die Welt zu retten.

Mittwoch, 7. Februar 2007

Ein besonderer Tag im Leben eines Rentiers



Schon wieder ist hier oben soviel passiert…also wird es wohl wieder statt einer großen Hommage an die Uni, die sie mittlerweile zweifelsfrei verdient hätte, eine Zusammenfassung der besonderen Art. Inzwischen haben wir schon den dritten Gastlektor, Wahnsinn was hier für diesen Kurs aufgefahren wird!
Muss mich sputen, will heute Nacht nämlich in einem Igloo schlafen - womit wir auch schon beim Thema sind. Sonntag habe ich ein Igloo gebaut (nicht allein)! Zwar fehlen mir ohne Zweifel die skills eines wahren Inuit, aber immerein, jeder mittelprächtig begabte Flachlandtiroler würde dieses Bauwerk als ein Igloo identifizieren können. Samstag hatten einige andere Studenten schon drei Stunden lang gearbeitet um den Unterbau aus großen Quadern aufzuschichten. Erstaunlicherweise kann man die benötigten Quader super einfach mit einer Schnee- oder Eissäge aus dem jeweiligen Material heraussägen. Dann versucht man die gewonnenen Blöcke mehr oder weniger kreisförmig aufzuschichten. Irgendwann muss dem ganzen Bauwerk jedoch eine gewisse Neigung nach innen gegeben werden, sonst würde man einen deutschen Bungalow der örtlichen Mittelschicht erhalten. Und da fangen die Probleme an und es zeigt sich auch erst der wahre Meister seines Faches. Irgendwie bekam das Ding statt einer runden Form eher eine gerade Gestalt mit einem Knick in der Mitte, noch mehr das Dach wollte einfach nicht zum Dach werden. Irgendwie, irgendwann, so wars aber…Hörte sich eigentlich ganz einfach an, aber bis man wirklich einen Mittelstein einsetzten kann, der dann auch noch das ganze Loch nach oben verschließt, bedarf es wohl noch einige Winter hier oben. Naja aller Anfang ist gemacht, die Hoffnung in der Hierarchie noch zum erprobten Igloobauer aufzusteigen stirbt mit dem letzten Eisbär…
Ausgestorben ist hier ganz in der Nähe eine ganze Stadt (nicht zum ersten Mal beeindruckt mich eine „geglückte“ Überleitung). Montag vor einer Woche war ich nachts mit dem örtlichen Roten Kreuz auf einem kleinen Snowscooter Trip. Obwohl ich mir keinen Scooter gekauft habe, konnte ich glücklicherweise als zweiter Mann hinten drauf. Es ging zu einer kleinen Geisterstadt, die vor etlichen Jahren von den russischen Minenarbeitern wohl recht plötzlich verlassen wurde. Ein ganz komisches Gefühl macht sich in der Magengegend breit, wenn ungefähr zehn Snowscooterlampen einen kleinen vollkommen verlassenen Straßenzug beleuchten und man zwischen den Häuserruinen hindurch fährt. Die Häuser stehen offen und wir konnten eines betreten. Da steht noch alles rum, als ob die Leute gerade mal vor die Tür gegangen sind. Klar hier und da ist auch ein wenig Müll und Mist, den andere da leider hinterlassen haben (wer hinterlässt an so einem Ort Müll???), aber im Prinzip ist noch alles da. Das Shampoo steht noch in der primitiven Dusche, das Besteck liegt noch auf dem Tisch, abgewaschen wurde auch nicht mehr. Ein paar Brotscheiben liegen ordentlich geschnitten am Küchentisch, einige Laib Brot sind im Eingangsbereich aufgestapelt. Alles gang ganz komisch. Es fehlt eigentlich nur noch die Hintergrundmusik vom weißen Hai und der Thriller ist perfekt – und das ganz persönlich für einen Schisser wie mich! Aber ich bin (zumindest bin ich davon überzeugt) in ganz guter Gesellschaft! Kaum jemand geht alleine mit seiner kleinen Kopflampe durch die unzähligen Räume, alle dappen irgendjemand hinterher um bloß nicht allein dazustehen, nur niemand vorneweg!
Während dieses Trips in die verlassene Kohlenstadt machten wir Bekanntschaft mit dem wahrscheinlich dümmsten Rentier der ganzen Welt. Aber dazu muss ich das Szenario aus der Sicht des Tieres noch mal kurz beschreiben: Es ist dunkel...und kalt - kalt und dunkel also und das ganze seit Ende Oktober. Da steht das dumme Rentier also seit Ende Oktober im Dunklen durch die Gegend und kann noch nicht mal ordentlich was futtern, denn das gute Futter ist ja unter dem Schnee versteckt. Und über dem Schnee ist Eis. Und darüber wieder Schnee und so weiter. Naja ein wohl ziemlich trostloses Leben in den letzten Monaten, aber dann passiert plötzlich etwas Besonderes im Leben dieses Rentiers. Auf einmal erscheinen ein paar Lichter am Horizont, sie kommen immer näher. Zudem wird es immer lauter, bisher war es hier draußen recht ruhig gewesen, vom Wind mal abgesehen. Plötzlich fährt eine Kolonne von zehn dröhnenden, hellen Snowscootern einen Katzensprung vom einfach dastehenden Rentier entfernt vorüber. Und was macht unser liebes Tier? Wenig bis gar nix! Soweit ich es beurteilen kann, hat es noch nicht mal den Kopf gehoben…Als wir vielleicht eine halbe Stunde später aus der Stadt wieder auf dem gleichen (dem selben?) Weg zurückkehren steht – wie sollte es auch anders sein – das Tierchen immer noch da, rührt sich nicht und macht einfach keine Anstalten sich auch nur im Äußersten vor all den lauten Wesen mit komischen leuchtenden Auen zu erschrecken! Mh, was soll man da noch sagen? Wieder einmal ein aufregender Tag im Leben eines Rentiers in Spitzbergen…
Die beiden Bilder sind nur ein kleiner Vorgeschmack auf die bald erscheinende Bilderseite! Ist um die Mittagszeit je nach Wolken und Mond für ungefähr drei Stunden hell…

Donnerstag, 1. Februar 2007

In der einsamen Hütte mit Britney

Darf ich mich vorstellen: Mein Name ist Britney, ich bin 1942 fertig gestellt worden, habe den zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden und trage wegen meiner Herkunft ein Hakenzkreuzadler auf meinem massiven Holzschaft…
Nein, ich bin nicht verrückt geworden in der Dunkelheit! Um es kurz zu machen: Britney war eines der Gewehre, die wir am Wochenende bei uns hatten. Gewehre haben aus traditionellen Gründen immer möglichst schäbige Frauennamen. Sollte eine Britney unter euch sein, bedank dich bei deinen Eltern…an alle anderen, denkt immer daran, nicht dass irgendwann deine Tochter mit gleichem Anliegen vor dir steht!

Aber alles der Reihe nach: Freitag sind wir wagemutig in den Sturm hinausgezogen, um das Wochenende in einer kleinen Hütte abseits des hektischen Rummels der Großstadt Longyearbyens zu genießen.
Die Hütte liegt ungefähr drei Stunden (zu Fuß) außerhalb der Metropole, da stellt sich erst mal natürlich die Frage: Was ziehe ich zum Wandern bei fast 30 Grad minus überhaupt an? Nicht viel, sonst schwitzt man und dann wird es kalt! Ziehe ich wenig an, darf man aber nicht anhalten, sonst wird es auch kalt…mh. Wir haben uns dann für die Variante „durchlaufen“ entschieden. Zuvor gab es noch ein wenig Stress, da alle Waffen der Uni bereits verliehen waren – ohne Waffe geht gar keiner. Zum Glück konnten wir aber einen Finnen überreden nicht mit Skiern zu fahren, sondern uns Gesellschaft zu leisten – mit seiner Waffe!
Lustig, dass man von einem ziemlich abgelegenen Ort hinauszieht, um einen noch abgelegeneren Ort zu besuchen; oder anders: Spitzbergen ist so ziemlich am Rand der Erdscheibe, Longyearbyen ein Dorf auf der kleinen Insel und Nybien (wo ich wohne) ein noch kleinerer Vorort dieses kleinen Dorfes auf der Insel, die ganz weit weg ist…
Die kleine Hütte liegt jedenfalls idyllisch auf einem kleinen Bergplateau nur ein paar hundert Meter vom Meer entfernt. Wäre die Außentemperatur ca. 50 Grad wärmer und das Meer nicht eins, zwei Grad, dann würde dieses Hüttchen glatt zum Baden einladen! Hätte wäre…ist aber nicht – aber wir sind ja keine Mädchen und so wurde der Vorsatz getroffen, wenn es nicht ganz soooooo kalt und stürmisch ist, gehen wir baden!
Weil die Hütte nicht im Stadtgebiet liegt muss man immer eine Waffe draußen bei sich haben. Also wenn man mal aufs Klo muss, das es in Form eines zusammen gezimmerten Holzhäuschens allerdings außerhalb der Hütte gibt, das Gewehr oder besser gesagt Britney ist dabei! Das Klohaus besticht durch seine optimistisch bemessenen Lüftungsschlitze, so dass zu Beginn des Wochenendes erst einmal Schnee und Eis entfernt werden mussten, um überhaupt ins Klo zu kommen! Dieses idyllische Stille Örtchen ist aber nur für große Geschäfte zugelassen, so bleibt einem nichts anderes übrig als sich erstmal warm anzuziehen (draußen waren Samstag um -27 Grad und Sturm…), ein Gewehr zu schultern, und auf die rechte Seite der Cabin durch den Schnee zu stapfen. Rechts? Ja, links wird der Schnee zum schmelzen genommen – nie verwechseln, schmeckt nicht gut! Empfehlenswert ist es auch sich nicht gegen den Wind zu stellen, nicht weil man sonst vielleicht etwas abbekommt, nein es besteht akute Erfrierungsgefahr…erstaunlich auch die Erfahrungswerte des Wochenendes, dass nicht das „Equipment“ am empfindlichsten ist, sondern ganz klar die Finger, da (so unsere Theorie) sie eine knappe Minute länger der Kälte ausgesetzt sind. Mit dicken Handschuhen bekommt Man(n) halt keine Hose auf und leider auch nicht wieder zu. Frieren und auf die Zähne beißen ist also angesagt.
Was ich am Anfang für einen Scherz hielt, zeichnete sich aber ganz schnell ab: Nach einem halben Tag hatte man überhaupt keinen Plan mehr von Uhrzeit & Co. Besonders wurde dies durch die spärliche Beleuchtung durch ein paar Kerzen und drei Parafinlampen unterstützt.
Am Samstag mussten bereits einige in die zivilisierte Welt zurück und einige holten sich böse Frostbeulen. Einem Finnen sind die Backen keim Snowscooterfahren derart eingefroren, dass sie wieder aufgetaut werden mussten, richtig hart waren Bereiche an beiden Backen, trotz Helm und Sturmmaske. Die effektive Temperatur hat er auf ungefähr 70 Grad geschätzt, was allein bei knapp 30 Grad Normaltemperatur plus Gegenwind plus Fahrtwind sehr leicht vorzustellen ist – siebzig Grad Minus, hallo?!

Als ich am Sonntag früh zurück gewandert bin war es traumhaft ruhig, kein Wind, keine Wolke und der Mond lies den ganzen Schnee und das Eis erglitzern. Es war vorübergehend so hell, dass man fast lesen konnte.

Mittlerweile hat mich der Unialltag wieder fest im Griff, aber davon morgen mehr!