Samstag, 31. Januar 2009

Jede Münze hat zwei Seiten



So pessimistisch der Tag begonnen hatte, so optimistisch ging er weiter: Nachdem die morgendliche Schwäche überwunden war und auch der Fotoakku neue Stärke gewonnen hatte, sind wir nach Sverdrupbyen auf die andere Talseite gelatscht um eine automatische Kamera, die jeden Tag ein Bild von meinem Hang macht, in Augenschein zu nehmen. Ziel war es einen geeigneten Platz für eine zweite Kamera zu suchen, um zusammen einen möglichst stereographischen Effekt zu erzeugen. Wie das genau läuft weiß ich noch nicht, aber ungefähr müssen beide Kameras je nach Abstand zum Hang in einem bestimmten Abstand zueinander aufgestellt werden. Dabei sollten beide horizontal und auch noch ungefähr auf derselben Höhe platziert werden… soweit der Wunsch. Wenn man sich aber direkt im Hang befindet gestaltet sich die Platzsuche schon schwieriger, na ja Montag wissen wir hoffentlich mehr.
Außerdem wollte ich endlich mal ein paar mehr Bilder machen um einfach die Freundschaft zu meiner neuen Kamera zu festigen und wenn möglich zu vertiefen. Es sieht schon cool aus, wenn der feuchte Nebel über Longyearbyen liegt und du darüber stehst. Nebel und Straßenlaternen erzeugen zusammen ein recht sonderbares Licht. Nachdem sich der Nebel ein wenig versteckt hatte und ich noch ein paar Fotos von meinem Hang machen konnte, machten wir uns auf den Weg zurück. Ich schaute nach oben und eine Wolke kam mir sofort spanisch vor. Naja erstmal weiter durch den Schnee stapfen aber irgendwie…ne Wolke…ney, das sind ganz schwache Nordlichter! Es geht also wieder los, aber diesmal bin ich im Gegensatz zu all den Malen davor besser ausgerüstet. Leider werden die Nordlichter nicht wirklich stärker, aber man will ja nicht gleich zuviel fordern. Nach anderthalb Stunden kniend im Schnee, steif gefrorenen Handschuhen und kalten Fingerspitzen hab ich ein paar coole Fotos hinbekommen. Allerdings ist es wie sooft – am kleinen Kamerabildschirm denkt man, man hat das perfekte Nordlichtbild und später am Laptop sieht man wie schwach sie wirklich sind…na ja aller Anfang ist schwer, aber ich bin jetzt gerüstet und harre der Dinge, die da kommen mögen.

Technik, die begeistert…


Ich komme soeben vom Berg – frustriert! Nachdem sich die morgendliche Skitour aufgrund von einem Bier-Sonderangebot in der Svalbar beim Max nach hinten verschiebt, wollte ich das wenige Licht wenigstens nutzen, um ein paar Fotos zu machen. Schließlich bin ich jetzt stolzer Besitzer einer Nikon D80 und eines 15 € Hama-Stativs, welches jeden Cent überlegt in Plastik investiert hat. Ich also vollmotiviert alles Gerödel zusammen gesucht, viel zu viele Sachen angezogen (im Moment herscht hier eine unglaubliche Hitzewelle und nur wenige Grad minus) und los den Hang hoch. Erster Platz, umgeschaut, ne, noch ein wenig höher. Schnauf. Es ist ja nicht so, dass eine Rolltreppe einen hier den Berg hochbringt, aber für ein Foto nimmt man ja manchmal gerne was auf sich. Ok, Licht gut, Aussicht blendend. Stativ ausziehen, ausrichten, Kamera drauf – was ist denn mit dem Display los?! Verdächtig dunkel alles…also noch mal von vorne: Wieder Aus und noch mal An…wieder nichts. Auch nach dem zehnten Mal ändert sich nichts und langsam aber sicher beschleicht mich ein blödes Gefühl: Argh, der Akku ist alle!!! Na toll, wenigstens noch mal kurz die Aussicht genießen und wieder runter den Hang, ohne ein einziges Foto gemacht zu haben…Fängt ja supi an der Tag, mal sehen was noch kommt…
Anmerkung der Redaktion: Bilder sind vom letzten Versuch...

Mittwoch, 28. Januar 2009

Alles wie immer und doch anders

Als ich am Freitag ziemlich überrumpelt nach vier Stunden Flug und Schlaf in Spitzbergen in die neue Ankommenshalle trat, war es da. Dieses komische Gefühl in der Magengegend -irgendwie riesige Freude, dass ich wieder hier bin, dass es endlich wieder los geht und doch trotzdem es ganz anders sein wird. Symbolisch dafür steht die neue Ankunftshalle – sie ist wie die alte noch auf Spitzbergen und wahrscheinlich immer noch die einzige Flughafenhalle auf der Welt, wo man nicht sehr komisch angeschaut wird, wenn man sie mit einem Gewehr auf dem Rücken betritt, oder mit einem Helm und Gesichtsmaske! Trotzdem ist es etwas anderes als das alte 10 m² Zimmer in dem man plötzlich stand und das Gepäck irgendwie auch…
Gewöhnen musste ich mich auch erstmal dran, jetzt nicht in meine alte Heimat Brakke 13 zu laufen, sondern ein wenig vorher links abzubiegen – Brakke 3. Nicht unbedingt das Gelbe vom Ei, aber zum einen meckere ich hier auf sehr hohem Niveau, zum andren war ich jenes von der alten Behausung gewohnt. Freitagabend bin ich gleich mal zum traditionellen Friday Gathering gelatscht und das gleiche hier – irgendwie ist es schon das gleiche, aber halt nicht dasselbe wie früher… Gefühle und Eindrücke verbindet man eben doch mit Leuten. Ein paar bekannte Gesichter hab ich aber doch noch getroffen. Ohne richtig angekommen zu sein, bin ich Samstag mit Max und seinen Homies mit Scootern zur gar hübschen Cabin Kapp Lilla aufgebrochen. Auch wenn’s dunkel war, es ist doch so schön das alles wieder sehen und erleben zu können. Ein wirkliches Zeitgefühl will in einer kleinen Hütte im großen Dunkeln nicht aufkommen und so haben wir geschlagene sieben Stunden Uno gespielt, nur vom kurzen Essen unterbrochen. Sieben Stunden mögen sich sehr lange anhören, waren an Gemütlichkeit kaum zu übertreffen. Allerdings wurde uns allen bös mitgespielt, denn nach 30 Runden wurde in Führung liegend Max beim Falschspielen erwischt…
Nach der grandiosen Uno-Session ging ich, kaum zurück am Sonntag in Longyearbyen, zum nächsten Exrem-Sport-Ereigniss: Kajak-Polo. Ok, Polo ist das auf den Pferden und Kajak das Ding aufm Wasser. Allwöchentlicher Treffpunkt ist das örtliche Multifunktions-Erlebnisbad, was durchaus auch für das traditionelle Weihnachtschwimmen mal in Betracht gezogen werden sollte. Naja, in das praktische Becken kommen dann 10 blaue Kajaks mit 10 wackeren Kajakfahren drin mit, 10 Spritzschutzen und 10 Schwimmwesten mit Nummern drauf ausgestattet– halt, ich vergaß die 10 Rugbyhelme und den 1 Plastikball. Im Prinzip geht es darum, den Ball auf der gegnerischen Seite durch ein in der Luft hängendes Tor zu werfen. Wie das Wort Kajak-Polo schon beschreibt, ist es bei dieser regionalen Sportart von elementarem Vorteil, wenn man auch Kajak fahren kann. Und da fängts an: Zuerst hat man ein langes Paddel in der Hand, wessen Blätter verdreht sind, aber das ist wohl Absicht. So muss man eine Hand festhalten beim Paddeln und die andere mitdrehen…soweit die Theorie. Allein der Einstieg in das Loch im Kajak ist reichlich unbequem, aber so lang man noch am Beckenrand ruht, stellt das kein Problem da. Die Probleme vergrößern sich, wenn man im Becken rumfahren will und das gehört zum Spiel halt dazu. Habe ich schon erwähnt, dass ich in meinem ganzen Leben vielleicht eine halbe Stunde mal in einem Kajak gesessen hab? Im ersten Spiel war ich mehr mit mir, dem Paddel und vor allem dem Kajak beschäftigt und hatte den Ball eher zufällig für geschätzte drei Sekunden. Im zweiten Spiel passierte das Unausweichliche, ich bin gekentert. Die Pros drehen sich mit einer eleganten Eskimorolle wieder nach oben, schütteln den Helm einmal und weiter geht’s. Naja – hat nicht ganz so geklappt mit der Rolle und auch nicht mit dem Eleganten und ich musste kopfunter aus dem Ding austauchen…hört sich schrecklich an, ists aber gar net. Das ganze Spiel ist eine Mordsgaudi und ich denk, wenn ich mal irgendwann Kajak fahren kann mach ich auch mal ein Tor! Bis dahin überlege ich mir auch noch, wie ich im Kajak sitzend den entsprechenden Klose-Gedächtnis-Salto zelebriere…
Montag stand ganz im Zeichen des Internets und der Eingewöhnung. Internetzugang in meinem Office musste her – ja ein eigenes Office, so was bekommt man hier, mit eigenem Computer!!! Die Arbeit soll ja auch am Effektivsten in einer netten Arbeitsatmosphäre sein, hab ich gehört…
Heute, Dienstag, waren alle UNIS Master-Studenten bei einem Lawinen-Training. Kleine Theorieeinführung von Ulli und Max und dann gings den ganzen Tag auf Scootern raus in das von CRYOSLOPE untersuchte Gebiet. Richtige und somit effektive Verschüttetensuche muss eben geübt werden. Wieder einmal wird man erinnert wie scheiße es ist, ohne Lawinenbeeper unterwegs zu sein. Die verbuddelten Testobjekte ohne Beeper haben wir beim Sondieren erst nach einer Ewigkeit gefunden. Da muss schon viel Glück dabei sein, wenn man so einen noch rechtzeitig findet. Viel besser ist es da halt immer noch gar nicht erst von einer Lawine verschüttet zu werden! Zur Entspannung am Abend kam mir dann das grandiose und meisterliche 5:1 der Bayern ganz recht! Gefehlt hätte nur noch das Feierabendbier, aber davor hat ja der Spitzbergencheffe die Alkoholkarte gestellt, die ich noch nicht hab…Ersatzweise kam dann der Marokkanischer Minztee, grüner Tee mit natürlichen Minzblättern in marokkanischer Tradition auf den Tisch. Die Aufschrift „Tea is rich in Antioxidants“ hab ich jetzt einfach mal positiv bewertet…
Morgen geht die Woche weiter (ach was) und ich freu mich wie ein Dackel auf sein Frolic was die nächsten Tage alles bringen werden. Zumindest will ich morgen oder übermorgen mal nach der Uni ne kleine Fotosession einlegen – mal sehen wie das wird.
Und weil ich grad noch hier bin, Papa, Gratulerer med dagen!!!

Montag, 26. Januar 2009

Ich bin wieder hier – in meinem Revier

Wie soll ich anfangen – soviel Zeit ist vergangen seit ich Spitzbergen im Juli 2007 tränenreich verlassen habe. Jedenfalls konnte ich danach nicht wieder in Mainz weiter studieren, dann hätte ich irgendwie nichts aus der ganzen Sache oben gelernt. Der Weg führte also nach Oslo – und der Weg war lang und beschwerlich. Die deutsche Demokratie kann einem aber noch so viele Steine, manchmal auch Felsbrocken, in den Weg legen – aufhalten kann sie einen Reisenden aber nicht!
Im August begann also dann mein erster Term in Oslo. Allerdings fällt hier einem auch nicht einfach alles in die Hände und so traf ich auf meinen alten Feind: die Physik. Das Problem an der Physik ist, dass sie auf sagenumwobene Weise mit der Mathematik angebandelt hat und, wenn man in beidem nur sagen wir mal „ voll ausreichende Grundkurskenntnisse“ hat, ist das schon mal nicht so berauschend. Quasi nach der Einführungsstunde stand ich vor dem Scherbenhaufen, der Vergangenheit heißt. Dank tapferem Lesen und noch viel tapfereren Rettungsversuchen von Tobias konnte der Gegner in dieser Schlacht aber niedergerungen worden. Täglich war ich in dieser Zeit irgendwo zwischen ’Ich hab’s endlich verstanden’ und ‚Ich versteh gar nichts mehr’…
Ich glaube ich habe im gesamten Term für meine 3 Kurse intensiver, effektiver und krasser gelernt als für die gravierende Mehrzahl meiner gesamten Kurse in Mainz! Man kann das jetzt negativ Mainz gegenüber sehen oder positiv gegenüber Oslo. Wahrscheinlich ist es aber einfach so, dass man natürlich wesentlich motivierter an etwas arbeitet, wenn man weiß wofür oder warum man es tut und ein Ziel vor Augen hat.
Der Vorteil an Oslo ist auch (von den schönen Norwegerinnen mal abgesehen), dass es ganz zufällig natürlich den Weg nach Spitzbergen extrem verkürzt und das nicht nur rein geographisch. Und so konnte ich das verwirklichen, warum ich eigentlich nach Oslo gekommen bin – den praktischen Teil meiner Masterarbeit auf Spitzbergen zu machen. Lawinen interessieren oder besser begeistern mich ja auch nicht erst seit gestern und so war ein passendes Thema schnell gefunden. Irgendwie schließt sich hier ein kleiner Kreis, denn Max, den ich im Dezember `07 beim Lawinenwarndienst in Innsbruck kennen gelernt und heiß gemacht hab auf Spitzbergen, ist jetzt ‚ganz zufällig’ mit Uli (den ich auch noch aus Spitzbergen kenn) für das Lawinenprojekt im Kühlschrank verantwortlich… Naja, hinzu kommt noch, dass meine Master-Supervisorin auch Verantwortliche für einen meiner Kurse die ich in Spitzbergen gemacht hatte, war, in dem ich - natürlich auch ganz zufällig - schon ein dreiwöchiges Lawinenprojekt hatte…die Welt ist halt doch ein Kaff!
Nach dem Semester in Oslo hab ich mich mal schöne zwei von meinen vier Wochen Heimaturlaub mit der Grippe ins Bettchen verzogen, worunter nicht nur meine Laune, sondern auch Olis und meine Powderträume derbe gelitten haben…
Den Weg zurück nach Oslo wurde dann mit dem ‚Luigi’ Golf vom Dödel gemeistert und vorher noch mal schön alles massiv eingekauft, was das Herz so in Norwegen vermisst. Erster Stopp Hamburg – Johannes, Anniken und Pia drücken, zweiter Stopp am Aldi auf Fehmarn – Wurst essen. Jungs, lass euch vom verlockenden Wurststand nicht blenden, die können sooft sie wollen ‚Beste Wurst der Welt’ draufschreiben wie sie wollen – die Wurst wird dadurch nicht besser, Weiße Haie darf man immer noch nicht mit der Angel fangen und wenn man von Norwegen nach Norden fährt kommt man nicht in die Antarktis (Soviel zur netten Unterhaltung mit dem Herrn Wurstverkäufer). Wesentlich aufregender als die beste Wurst der Welt war allerdings der dritte Stopp, die Insel Mön in Dänemark mit nördlich am Festland anschließender Steilküste Stevens Klint. Vierter Stopp, Schweden, Kaltwasserbadeanstalt anschauen, Kaffe fassen und schon sind Tobias und ich nach drei Tagen im Luigi in Oslo vorgefahren. Die Kehrseite meiner zweieinhalb Tage in Oslo war, dass nach dem Auspacken es fast direkt wieder zum Packen kommen musste, was mir ohne weibliche Unterstützung unheimlich schwer fiel. An der Ehre gepackt habe ich diese immens hohe Hürde aber souverän genommen.
Am Freitag hieß es dann schon wieder – kaum hat man mal dreimal im selben Bettchen gepennt – aufbrechen. Nach Norden – nach Spitzbergen! Hier bin ich also wieder. 18 Monate später hat sich hier einiges verändert – es ist wieder mal dunkel geworden im Kühlschrank. Trotzdem hatte ich eben beim Weg hoch zu meiner neuen Unterkunft (Brakke 3) irgendwie nicht das Gefühl gehabt, wirklich weg gewesen zu sein…

Morgen hoffe ich auch Internet zu bekommen, den ersten Bloggeintrag hochzuladen, zu schreiben was alles in meinen ersten zwei Spitzbergentagen passiert ist und warum man unbedingt eine Eskimorolle beherrschen sollte…
Obwohl ich eher auf Grönemeyer steh, will ich mit wahren Worten von Marius Müller Westernhagen schließen:

Ich bin wieder hier, in meinem Revier,
war nie wirklich weg, hab’ mich nur versteckt…