Mittwoch, 21. Februar 2007

Treue Gefährten und Trapperromantik ohne Romantik

Was war das für ein Wochenende!? Eigentlich habe ich jetzt schon mit Ausnahme des Eisbären alles gesehen und erlebt was ich hier bis zum Sommer vorhatte…ich könnte also schon früher… neeeeeeeeeeeeeiin!
Also zum Wochenende: Donnerstag wurde ich gefragt ob ich nicht Lust hätte mal ein wenig Hundeschlittenfahren zu gehen. Klar warum nicht?! Wenn da nicht diese klitzekleine Angst vor allen Vierbeinern wäre. Schon in Deutschland versuchte ich es mit einer Art Schocktherapie, also einfach auf den kleinen kläffenden Dackel zugehen und die Ruhe selbst sein. Zumindest äußerlich hab ich das bisweilen ganz gut hinbekommen, warum also nicht hier mit ein paar Schlittenhunden. Alla, die Hunde hier oben kochen auch nur mit Wasser – wenn sie denn irgendwann mit kochen anfangen sollten...
Das Beste an der Sache war noch, dass wir für Umme mitfahren konnten um die Hunde zu „trainieren“. Ein bisschen schlechtes Gewissen bekam ich ja schon als ich den einen Touristen sah, der für das Wochenende ca. 200, 250 Euro löhnen musste, aber so ist das Leben halt.
Pia und ich wurden dann am Samstag schon früh von der Frau vom Chef abgeholt und zum außerhalb Longyearbyens gelegenen Hof gebracht. Kaum war die Jeeptür ein Stückchen auf, wurden wir von einem stürmischen wauwau aus unzähligen heiseren Kehlen begrüßt. Hört sich ja noch ganz nett an, aber langsam wird mir beim Gedanken an zwei Tage und knapp vierzig Hunde doch ein bisschen flau im Bauch.
Eine kurze Einweisung was wir überhaupt beachten müssen bekommen wir in der kleinen Hütte. Und dann betritt der Cheffe selbst die Bühne: Anton. Nicht ganz der Name, den ich von einem harten Mann in Spitzbergen der in des Sturmes Auge geschaut hat, erwartet hätte, aber Ok. An den Schlitten erklärt er uns sehr kurz und angebunden wo wir alles verstauen sollen und dass wir jetzt die Hunde holen müssen. „Ach, und du Stephan, du bekommst acht Hunde“. Acht Hunde?! Alle für mich alleine? Soll ich mich lächerlich machen und meine kleine Angst vor deutschten Stadtdackeln erzählen? Besser nicht, sonst ist das Wochenende rum bevor es überhaupt angefangen hat. Pokerface aufgesetzt und rein zu den Hunden. Sehen nicht grad sympathisch aus, wie sie so zähnefletschend an ihren Ketten zerren und offensichtlich nach meinem Leben trachten. Vielleicht spielt meine Phantasie mir auch nur ein übles Spiel. Die Hunde werden einzeln an eine Kurzleine eingeklickt, dann von ihrer Hüttenkette gelöst und zu den Schlitten gebracht. Besser gesagt die Hunde ziehen uns regelrecht zu den Schlitten. Dort werden sie an die Hauptleine pärchenweise festgemacht und wieder von der Kurzleine ausgeklickt. Was ein hin- und hergestöpsele aber gut. Schließlich muss den guten Hunden noch eine Art Schlaufenkorsett übergestülpt werden um den Druck später beim Laufen auf den ganzen Körper zu verteilen. Dieses Korsett gleicht einem Klettergut in klein und kompliziert. Hier muss der Kopf rein, dort ein Bein durch und da das andere raus, nein sieht nicht gut aus. Noch mal von vorne und dabei trennen mein Gesicht und das Schlabbermaul des Huskies nur Zentimeter. Zum Glück hat der Hund weit mehr Erfahrung als ich und man hat wirklich das Gefühl der lacht mich aus wenn ich wiedermal ein Pfötchen falsch eingeschlauft habe. Was auch auffällt, die eben noch „wilden“ Hunde sitzen mucksmäuschenstill vor mir und bedauern mich ein bisschen wie ich mit feuchten Händen und hämmerdem Herzschlag vor ihnen kauere und verzweifelt mit all den Schlaufen, Ösen und Pfoten kämpfe. Mit jedem Hund wächst aber meine Erfahrung und ich komm mir bei den letzten Hunden schon fast wie ein alter Trapper vor, der sich um seine treusten Gefährten kümmert. Dann geht’s endlich los! Die Hunde schmeißen sich richtig in ihr Geschirr und wir rauschen davon. Supergut ist auch, dass die Hundeschlittensaison jetzt erst beginnt, es gibt also noch keine ausgefahrenen Tracks. So schön das mit der unberührten Landschaft aber auch ist, für die Hunde ist es umso schwerer, sie müssen sich durch den tiefen weichen Schnee wühlen und mich auch noch mitziehen. Die Leistung der Hunde schätzt man erst richtig ein, wenn man mal versucht ein paar Meter neben dem Schlitten her zu rennen. Wahnsinn, nach zehn Schritten geht mir die Pumpe wie beim Axel nach ner halben Runde und ich bin froh mich wieder auf den Schlitten stellen zu dürfen. So cruisen wir durch die herrlichen Täler Spitzbergens, einen klein Pass hier hinauf um wieder in ein noch schöneres Tal zu kommen. Unendliche Weiten… alles ist schneebedeckt, hier und da schauen die dunkleren Felsen heraus und geben einen wunderschönen Kontrast. Die Erdbeere auf der Torte bildet die Sonne! Wir sehen sie selbst noch nicht, aber an den höheren Gipfeln kann man schon eine scharfe Grenze zwischen den Bereichen die schon angestrahlt werden und denen die noch im Schatten sind erspähen. In Richtung der Sonne ist der Horizont gelbgoldrot gefärbt. Einfach herrlich. Kein Foto kann so einen Eindruck festhalten und nicht einmal ein wahrer Minnesänger würde das Spektakel entsprechend wiedergeben können. Vollkommen überwältigt von den Eindrücken merkt man gar nicht wie die Zeit vergeht. Doch langsam senkt sich auch dieser schöne Tag zur Neige und wir wollen nach einer letzten Überquerung einer Eisfläche unser Lager für die Nacht aufschlagen. Das Problem an solchen Eisflächen ist, dass die Hunde nicht genügend Grip haben und der Schlitten, da er keine Stahlkufen besitzt, in Kurven mehr oder weniger unkontrolliert durch die Gegend rutscht und schutzlos den Zentripetalkräften (oder waren es doch die Zentrifugalkräfte…scheiße Physik muss ich ja auch noch machen!) ausgeliefert ist. Gerät der Schlitten erst mal ins schlittern, können sich die Hunde nicht mehr halten und werden einfach durch den Schlitten vom Kurs abgelenkt. Hier kommt es mehr als irgendwo anders auf die Qualitäten des Leaderdogs an, der das ganze Gespann führt, lenkt und vorantreibt. Wer schon mal Bücher zum Beispiel über den Iditarod gelesen hat wird immer wieder bemerken, welche besondere Beziehung die Musher zu ihren Führungshunden haben. Es sind beste Freunde die sich blind verstehen und sich aufeinander verlassen. Ganz so dramatisch und gefährlich wie beim Iditarod ist die Situation hier zwar nicht, aber trotzdem merkt man auch als Anfänger ganz schnell was so ein Hund drauf hat. So zeigt sich schon ein riesen Unterschied zwischen dem Leaderdog des ersten Teams und denen der drei anderen Schlitten. Es liegt wohl irgendwie in den Genen, nicht alles kann man antrainieren.
Es wird Zeit unser Camp aufzubauen. Mit Freude stelle ich fest, meine erste Nacht in einem Hilleberg-Zelt verbringen zu können. Mein neuer Valandré wird zu einem weiteren Härtetest kommen. Anton hats echt drauf. Gegen seine Skills komm ich mir beim hiken in Norwegen wie ein Pauschaltourist auf Malle vor. Was total Abgespactes zeigt er uns beim Zeltaufbau: Wir haben vielleicht 15, 20 cm Schneeauflage auf dem gefrorenen Boden und der Schnee hat keine richtige Verbindung zum Unterboden.. Wie befestige ich da einen Hering ordentlich, dass er auch einem kleinen Sturm standhält? Man friert ihn ein! Das besondere an den Heringen ist, dass sie zwei Löcher in der Mitte des Schaftes haben, durch die eine kurze Schnur gelegt ist. An der entsprechenden Stelle wird der Schnee bis zum Permafrost aufgegraben, der Hering flach der Länge nach hineingelegt und wieder mit Schnee bedeckt. Dann tritt man den Schnee fest, schaufelt neuen darüber und komprimiert ihn weiter. Chemisch-physikalisch kann ich das nicht ganz erklären, aber der Schnee wird zu einer Art Konkreation und geht eine Verbindung zum gefrorenen Boden ein. Nach einer halben Stunde kann man das Zelt bzw. die Abspannseile in die kurze Schnur einklinken und fertig ist das Wunder.
Es folgt ein gemütliches Abendessen zu viert im Zelt ohne Kerzenlicht. Nicht nur deswegen ist von der Trapperromantik, die in so vielen Werbungen, Büchern und Filmen gezeigt und gepriesen wird, nichts zu sehen. Kein überdimensionales Lagerfeuer, kein Hund im Arm, keine Wiskyflasche, die die Runde macht. Vielmehr ist es ein Dagesitze und Erzählen von Erlebnissen mit ein wenig Tee. Es wird einem wirklich bewusst, man befindet sich hier in einer Region, die nicht ganz ungefährlich ist. Kälte zum einen, aber auch die ständige Möglichkeit einen Eisbären zu begegnen. Also Tee statt Trapper-Wisky…das Gewehr ist jederzeit griffbereit am Zeltgestänge angebunden. Ein Tripwire, die normalerweise um die Zelte zur Eisbärabsicherung gestellt werden, benötigen wir wegen all der Hunde hier nicht. Im Kollektiv fühlen sie sich stark genug einen Eisbären zu jagen und auch zu attackieren; wollen wir es aber nicht darauf ankommen lassen.
Die Nacht ist wunderschön. Weil wir so weit außerhalb Longyearbyens sind gibt es kaum Restlicht. Man sieht also Tausende von Sternen von denen man nicht zu träumen gewagt hat. Zum Dessert gibt es an diesem Abend Nordlichter! Über den ganzen Himmel tanzen sie von weiß bis tief grün. Auch wenn ich mich wiederhole, man steht oder liegt wirklich nur da schaut nach oben und freut sich wie ein kleines Kind beim Auspusten der Geburtstagskerzen. Es gibt ohne Zweifel nichts Schöneres auf der Welt als diese tanzenden Lichter oben am Firmament. Absolute Vollkommenheit. Wenn eine 10 keine 10 geworden wäre, sie wäre ein Nordlicht! Glücklich und zufrieden mummel’ ich mich in meinen Schlafsack.


Pünktlich um 8.30 gibt es Frühstück. Minus 23 Grad. Zusammenpacken und wieder zu den Hunden zum Korsettanlegen. Ich bin gerade mit dem ersten Pärchen fertig, da gibt ein Hund eine Reihe vor mir seltsame Laute von sich. Ich drehe mich um und gucke geradewegs in einen rosa, pulsierenden, erigierten Hundepenis…klasse! Noch keinen Kaffe getrunken, aber schon ein Hundedödel im Gesicht, fängt ja gut an. Erstaunlicherweise weist der Dödel bei genauerer Betrachtung von der Seite keine Eichel auf, er ist vielmehr vorne stumpf…naja überlassen wir das besser den Hunden, die haben das ja schließlich schon ein paar Jahre hinbekommen. Ungeschickterweise wäre dieser Hund aber gerade an der Reihe sein Korsett verpasst zu bekommen. Ich will ihm noch einen Augenblick lassen, sich ein wenig „abzukühlen“ und beginne mit einem anderen Hund. Da höre ich schon wieder komische animalische Laute von der Seite. Ich drehe mich um und muss zu meinem Erschrecken feststellen, dass der eben korsettverschonte Hund gerade aufs übelste seinen Nebenmann oder Nebenfrau durchpimpert. Ich will mich ja nicht einmischen aber eigentlich müsste ich ja…
Irgendwann ist auch das geschafft und wir können endlich starten. Wieder zeigt sich das Wetter von seiner besten Seite, aber ich merke irgendwie, dass vom ganzen mehr oder weniger Rumstehen auf dem Schlitten meine Zehen ganz schön kalt werden. Auch der Versuch immer mal ein wenig nebenher zu laufen hilft nix mehr und ich finde mich damit ab mit zwei kleinen Eisbergen in den Schuhen nach Hause zu kommen. Der Tag wird wunderschön, viele unverspurte Hänge geht es hinauf und auf der anderen Seite wieder hinab. Der Gedanke ans freeriden lässt mich nicht mehr los. Nächste Woche muss es endlich losgehen. Powderaktion in Spitzbergen – come on!
Als wir gegen 6 schließlich den kleinen Hof erreichen, die Hunde wieder zurück an ihre Hütten bringen und alles Equipment wieder einsortieren, merkt man schon die Anstrengungen der letzten beiden Tage. Aber gelohnt hat es sich auf jeden.
Beim Ausziehen der Wollsocken bin ich schon ein wenig erleichtert, keine Farbveränderungen an den Zehenspitzen zu sehen. Soweit so gut, aber zumindest die Zehen des rechten Fußes fühlen sich alle ganz fest und irgendwie vielleicht geschwollen an. Dazu kommt noch das Gefühl, wie wenn einem ein Arm oder Bein eingeschlafen ist. Langsam wärme ich den Fuß auf, aber das stumpfe Gefühl bleibt und beim Gehen ist jetzt immer noch dieses komische Bitzeln zu spüren. Naja, wer hat mir denn auch gesagt, dass ich die Spezialcreme von Mama Schubert, die mich die ganze Zeit vor all den Frostbeulen im Gesicht geschützt hat, auch auf meine Füße tun soll…? Es sind wohl nur ein paar Frostbeulen, die ohne bleibenden Schaden sind, ich muss nur aufpassen, dass die Füße nicht in nächster Zeit wieder etwas abbekommen, denn jetzt bin ich quasi vorbelastet und die Chance auf bleibende Schäden ist höher. Dafür hatte ich aber ein Hammerwochenende, das alles was man sich von einer kleinen Tour hier oben nur erhofft kann in Erfüllung hat gehen lassen.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ey Franjo, bekommst du vielleicht Geld dafür, dass du Werbung für eine Reise nach Svalbard machst? Hört sich echt hammermäßig an, pass aber schön auf deine Füße auf, ja?

Anonym hat gesagt…

Die Nordlichter müssen echt der Hammer sein, wenn die so geil wie ´ne 10 sind ;-)