Dienstag, 22. Mai 2007

Chill and Grill

Ich muss aus gegebenem Anlass Jacques Cousteaus Abenteuer und meine geologischen Erkenntnisse 20.000 Meilen unter dem Meer ruhen lassen. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben…
Freitag war ein traumhafter Tag: Das allwöchentlich Friday Gathering konnte nicht wie gewohnt in der Kantine stattfinden, weil die für irgendeine andere Feier gebucht wurde. Wohin gehen also? Ein Doktorand (oder so was ähnlich Schlaues) kam auf die grandiose Idee runter zum Strand an den Segelclub zu gehen um dort zu grillen. Chill and Grill also am Strand; doch wo war der Strand – ah da, unterm Schnee…

Bevor man in Italien wirklich Frühling haben kann, muss Berlusconi erstmal Frühling anordnen. Ähnlich läufts hier: Sysselmannen sagt ‚es soll gutes Wetter sein’ und pünktlich zum Nachmittag reist es auf, keine Wolken mehr, kein Wind mehr und die Sonne kommt raus – perfekte Bedingungen zum Grillen. Da geht’s schon wieder los: Spitzbergen ist jetzt nicht als die internationale Grillhochburg angesehen und das wird an der Fleischtheke, die eigentlich nur das Fleischregal ist, ziemlich klar…ich hab ja kein Lumb-Steak erwartet, aber irgendwas so zum lecker drauflegen wär schon sehr angenehm. Ein richtiger Fleischtheken-Fachverkäufer mit Herzblut und dickem Bauch tut hier mal not. Zu guter Letzt finde ich noch eine Packung Bauchlabbe, der mich wieder versöhnlich stimmt. Schließlich muss ja auch noch das nicht vorhandene Becks irgendwie kompensiert werden (auch wenn das nicht komplett möglich ist).
Der Abend wird grandios, es fehlt zum perfekten Kleinen Traum eigentlich nur noch die Palme, der Bikini und der Ball…ach ja und das Becks natürlich. Sonst sind alle Kleinen Träume anwesend!


Etwas Skurriles hat die Sache aber trotzdem, während des ganzen Abends scheint großartigerweise) die Sonne, schön wandert sie von links nach rechts über das Meer und die Leute tragen Sonnenbrillen. Grill und Lagerfeuer ergeben ja eine perfekte Symbiose, Schnee und Sonnenbrille auch, was spricht also gegen die Megaquadrat-Symbiose am Nordpol?!
Schließlich gehen noch ein paar wagemutige Leute (konnte mich gerade noch bremsen) schwimmen, in der Gewissheit dass es männlich erscheint, der Männlichkeit aber auch wieder bestimmt nicht soooo gut tut…
Neben dem Segelclub steht ein Holzgerüst - für bzw. von was auch immer. Ob es mal ein Haus werden sollte und dem Besitzer vor Fertigstellung eingefallen ist, dass er zwar jetzt ein Haus am Strand hat, es aber nicht wirklich zum alltäglichen Baden einlädt und deshalb seine Baupläne auf eine Eisscholle (die an seiner zukünftigen Terrasse vorbei schwamm) gelegt hat, bleibt unklar. Jedenfalls kommen wir auf die Idee von dem Gerüst zu springen und gegen die Sonne Fotos zu machen.


Zum Schluss noch ein Zitat vom oben sinnfreier Weise erwähnten Cousteau: „Die beste Weise, Fische zu beobachten, besteht darin, selber zum Fisch zu werden.“ Wer hätte das gedacht...

Freitag, 18. Mai 2007

Industrielle Revolution

Als technisch versierter und begabter Student habe ich (beinahe eigenständig…) nach Wochen und Monaten des harten Lebens im Paradies letztlich die Zeit und die Mittel gefunden, ein paar mehr Fotos in einem digitalen Fotoalbum zu bannen. Einfach auf den Kasten klicken und…was erzähl ich euch das überhaupt?!
Gerhard Kocher (*1939), schweizer Gesundheitsökonom


So, mach mich wieder auf das Paradies zu genießen…

Dienstag, 8. Mai 2007

Sonne, Sonne und nichts als Sonne

Bin die Tage nicht früher dazu gekommen zu schreiben, also mal ein kleiner Rückblick, quasi eine Retrospektive : Vorletzte Woche waren wir zu einer dreitägigen Exkursion in Kapp Linee, einer kleinen Radiostation in der Mitte des Nirgendwo. Die kleine Station ist eine Art Herberge, Unterkunft für Spitzbergen-Pauschal-Touristen und Anlauf- bzw. Ausgangspunkt vieler Exkursionen. Hier soll auch der größte Teil des dreiwöchigen Sommerkurses stattfinden, für den ich mich nach meinen beiden „normalen“ Kursen beworben hab – mal sehen was draus wird.
Jeder Student bekam einen eigenen Scooter für die Fahrt gestellt, um das ganze Gepäck und das Equipment für die verschiedenen Messungen zu transportieren, wurden noch zehn Schlitten an die Scooter gekoppelt. Aus den wohl normalen drei, vier Stunden Fahrt wurden knappe fünf, so cool Scooterfahren auch sein kann, aber nach dem zwanzigsten Tal, dem relativ eintönigen Brumm-Geräusch des Motors und dem ganzen Wackeln vom Lenker ist man doch irgendwann ziemlich fertig. Schon zum totlachen, da fährt man fünf Stunden, um aus der "großen Stadt" herauszukommen und merkt dann, dass sich hinter dem Namen Kapp Linee nicht viel mehr als drei Hütten und eineinhalb Häuser verbergen. Die stehen da einfach so, ohne Straße, ohne Weg, einfach eine Hütte am Meer. Leider fehlt irgendwas um wirkliche Sommerstimmung aufkommen zu lassen...


Am späten Nachmittag machen wir uns dann wieder mit Scootern auf Feldarbeit. Das ist schon so unbeschreiblich anders als in Deutschland: Klamotten zusammen suchen, Extrasachen einpacken, heißer Tee ist auch nie verkehrt, rein in die Scooteroveralls, Sturmmaske auf, Helm, Skibrille (noch nicht aufsetzten, sonst beschlägt die, geht man dann raus, gefriert das direkt und man wirds nicht mehr los – meistens hat man also auch noch eine Ersatzbrille mit…), Unterziehandschuhe, Überhandschuhe und endlich geht’s raus zum Scooter. In einer langen Schlange geht’s dann auf, Richtung See, den ich nie als einen solchen erkannt hätte... Mit GPS hatten wir schon in der Unterkunft Wegpunkte festgelegt, denen wir jetzt folgen und in regelmäßigen Abständen Schneetiefenmessungen mit Lawinensonden machen. Gleiches machen wir auch am zweiten Tag über einen ganzen Gletscher. Neben den Messungen buddeln wir auch noch zwei Snowpits um eine Schneestratigraphie zu erhalten. Besonders interessant ist eine Methode, die ein Doktor aus Oslo benutzt, der uns für die Exkursion begleitet und in der vorangegangenen Woche geteacht hat: Hinter einem Scooter (was auch sonst…) zieht er ein Radar, das an ein GPS gekoppelt ist. Hinter dem Scooter ist ein ca. 10 m langer Schlauch, an dem zwei Empfänger montiert sind. Beginnt er mit der festgelegten Fahrt, sendet das Radar Impulswellen aus, die durch die Schneeschicht und das Gletschereis gehen und erst vom Gletscherbett reflektiert werden – es wird also die Eisdicke gemessen. Je nach Frequenz kann man auch Schneedecke separat oder „erwärmtes Eis“ auf der Reflektion erkennen. Die reflektierten Impulswellen werden an der Oberfläche von den beiden Empfängern wieder aufgenommen. Später hat man also dank GPS einen genauen Querschnitt durch das Gletschereis. Theorie ist das eine, aber so was wirklich mal draußen zu sehen ist schon was anderes. Hier wird einem auch bewusst, dass nicht das Arbeiten an sich hier oben das schwierigste ist, sondern viel mehr die nötigen Geräte an den bestimmten Ort zu transportieren und zum Laufen zu überreden. Kälte und Batterien werden wohl nie beste Freunde werden…Nach einer kurzen Mittagspause wollen wir noch mal einen Komplettdurchlauf am Stück über den ganzen Gletscher machen, doch hier haben wir die Rechnung ohne die Batterien, die eigentlich auch Akkus sind, gemacht. Zuerst sind die beiden Batterien der Empfänger– die keine sind - nicht mehr fit, als die ausgewechselt sind, nimmt das GPS keine Position auf, als dieses Problem dann noch irgendwie provisorisch behoben wird, streikt der Laptop, der gepolstert in einer Alukiste auf dem Schlitten festgezurrt ist: Um die Feldarbeit zu erleichtern, hat das gute Stück keine Maus, sondern ein Touchscreen – dumm halt nur, wenn das sich das dute Stück eine Erkältung durch die Zugluft zugezogen hat…da steh ich also, das gute Wetter hat auch die Lust am gut sein verloren, mit einem eingefrorenen Laptop in meinem Overall!


Das Wetter am nächsten Tag war großartig, keine Wolke am Himmel, überall nur weiß, dass man fast geblendet wird. Steht man dann noch auf dem riesigen See (den, den ich nicht erkannt hab) und hat diese flache Ebene (ist flache Ebene so was wie ein weißer Schimmel oder so was???) vor sich, ey das ist so schön!!! Durch den warmen Scooteranzug vergisst man fast - wenn man die Sonne genießt - dass es ja nicht gerade warm ist. Aber auch 15 Grad minus können sich wirklich richtig behaglich anfühlen - auch wenn das keiner von euch in Deutschland bei 30 Grad plus glauben will.

Die Rückfahrt wird am Mittag zur absoluten Farce: Anscheinend verbrauchten die Scooter durch die schweren Schlitten erheblich mehr Benzin als kalkuliert. Von UNIS begleitet ein Safty- und Logistik-Guide jede solcher Exkursionen. Aus irgendwelchen Gründen mussten wir in einer kleinen Hütte nahe dem See ziemlich viel von unserm mitgebrachten Extrabenzin für andere deponieren. Viele sind schon am Mittag des zweiten Tages leer gelaufen, so dass wir da schon auffüllen mussten. Obwohl ich weiß, dass der gute Logistik-Mensch mehr Ahnung hat als wir alle zusammen, kam uns alles schon ziemlich spanisch vor. Auf dem Weg zurück liefen von unseren 15 Scootern fünf leer, zusätzlich brachen auch noch drei Schlitten auf der ganzen Exkursion zusammen. Also saßen wir quasi am Ende mehr oder weniger immer zu zweit auf einem Scooter, der auch noch einen Schlitten zog. Ich denke mit viermal leer laufen war ich einsamer Spitzenreiter der Exkursion!
Wie lächerlich das ganze: Da wird bei uns Sicherheit immer ganz groß geschrieben, jede deppe Schraube zum Reparieren ist fünffach dabei, aber am Benzin verrechnet sich der Mann…zum Glück war ja gutes Wetter und alle kamen in den verbliebenen Scootern mit den letzten Tropfen in UNIS wieder an.
Themenwechsel - Hab ich mich so gefreut den Oli hier zu haben, aber leider hat er ne Erkältung oder irgendwas Fieses hier gelassen, dass ich direkt mal aus reiner Heimatliebe aufgeschnappt hab. Am Wochenende ging mit mir dann gar keiner mehr. Zurück in Nybien von der Exkursion hab ich mich quasi so wie ich war ins Bettchen gelegt und bin erstmal weggeschlummert. Irgendwann wurde ich wieder wach und hatte so was von überhaupt gar keiner Ahnung wie spät es war, denn in meinem Zimmer hab ich keine Uhr, mein Handy steckte noch irgendwo im Rucksack und der Laptop lag auch vom Bett unerreichbare zwei Meter weit weg. Wenn man noch nicht mal weiß welcher Tag überhaupt ist, ob ich zwei oder 12 Stunden geschlafen hab, ist es ein total komisches Gefühl. Der Blick aus Fenster sagte mir auch nur, aha es ist hell, wie eigentlich 24 h lang, also ist es noch nicht Herbst – mehr aber auch nicht…
Zeitsprung – wir waren die letzten fünf Tage mit der R/V Jan Mayen unterwegs – einem Forschungsschiff der Uni Tromsö, Wahnsinn, das als Student benutzen zu können und richtig mitzuerleben wie zum Beispiel ein Sedimentkern in über 1500 m Wassertiefe genommen wird, aber davon die Tage mehr.
Ich geh jetzt mal wieder meinen Sommernachtstraum genießen…