Donnerstag, 1. Februar 2007

In der einsamen Hütte mit Britney

Darf ich mich vorstellen: Mein Name ist Britney, ich bin 1942 fertig gestellt worden, habe den zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden und trage wegen meiner Herkunft ein Hakenzkreuzadler auf meinem massiven Holzschaft…
Nein, ich bin nicht verrückt geworden in der Dunkelheit! Um es kurz zu machen: Britney war eines der Gewehre, die wir am Wochenende bei uns hatten. Gewehre haben aus traditionellen Gründen immer möglichst schäbige Frauennamen. Sollte eine Britney unter euch sein, bedank dich bei deinen Eltern…an alle anderen, denkt immer daran, nicht dass irgendwann deine Tochter mit gleichem Anliegen vor dir steht!

Aber alles der Reihe nach: Freitag sind wir wagemutig in den Sturm hinausgezogen, um das Wochenende in einer kleinen Hütte abseits des hektischen Rummels der Großstadt Longyearbyens zu genießen.
Die Hütte liegt ungefähr drei Stunden (zu Fuß) außerhalb der Metropole, da stellt sich erst mal natürlich die Frage: Was ziehe ich zum Wandern bei fast 30 Grad minus überhaupt an? Nicht viel, sonst schwitzt man und dann wird es kalt! Ziehe ich wenig an, darf man aber nicht anhalten, sonst wird es auch kalt…mh. Wir haben uns dann für die Variante „durchlaufen“ entschieden. Zuvor gab es noch ein wenig Stress, da alle Waffen der Uni bereits verliehen waren – ohne Waffe geht gar keiner. Zum Glück konnten wir aber einen Finnen überreden nicht mit Skiern zu fahren, sondern uns Gesellschaft zu leisten – mit seiner Waffe!
Lustig, dass man von einem ziemlich abgelegenen Ort hinauszieht, um einen noch abgelegeneren Ort zu besuchen; oder anders: Spitzbergen ist so ziemlich am Rand der Erdscheibe, Longyearbyen ein Dorf auf der kleinen Insel und Nybien (wo ich wohne) ein noch kleinerer Vorort dieses kleinen Dorfes auf der Insel, die ganz weit weg ist…
Die kleine Hütte liegt jedenfalls idyllisch auf einem kleinen Bergplateau nur ein paar hundert Meter vom Meer entfernt. Wäre die Außentemperatur ca. 50 Grad wärmer und das Meer nicht eins, zwei Grad, dann würde dieses Hüttchen glatt zum Baden einladen! Hätte wäre…ist aber nicht – aber wir sind ja keine Mädchen und so wurde der Vorsatz getroffen, wenn es nicht ganz soooooo kalt und stürmisch ist, gehen wir baden!
Weil die Hütte nicht im Stadtgebiet liegt muss man immer eine Waffe draußen bei sich haben. Also wenn man mal aufs Klo muss, das es in Form eines zusammen gezimmerten Holzhäuschens allerdings außerhalb der Hütte gibt, das Gewehr oder besser gesagt Britney ist dabei! Das Klohaus besticht durch seine optimistisch bemessenen Lüftungsschlitze, so dass zu Beginn des Wochenendes erst einmal Schnee und Eis entfernt werden mussten, um überhaupt ins Klo zu kommen! Dieses idyllische Stille Örtchen ist aber nur für große Geschäfte zugelassen, so bleibt einem nichts anderes übrig als sich erstmal warm anzuziehen (draußen waren Samstag um -27 Grad und Sturm…), ein Gewehr zu schultern, und auf die rechte Seite der Cabin durch den Schnee zu stapfen. Rechts? Ja, links wird der Schnee zum schmelzen genommen – nie verwechseln, schmeckt nicht gut! Empfehlenswert ist es auch sich nicht gegen den Wind zu stellen, nicht weil man sonst vielleicht etwas abbekommt, nein es besteht akute Erfrierungsgefahr…erstaunlich auch die Erfahrungswerte des Wochenendes, dass nicht das „Equipment“ am empfindlichsten ist, sondern ganz klar die Finger, da (so unsere Theorie) sie eine knappe Minute länger der Kälte ausgesetzt sind. Mit dicken Handschuhen bekommt Man(n) halt keine Hose auf und leider auch nicht wieder zu. Frieren und auf die Zähne beißen ist also angesagt.
Was ich am Anfang für einen Scherz hielt, zeichnete sich aber ganz schnell ab: Nach einem halben Tag hatte man überhaupt keinen Plan mehr von Uhrzeit & Co. Besonders wurde dies durch die spärliche Beleuchtung durch ein paar Kerzen und drei Parafinlampen unterstützt.
Am Samstag mussten bereits einige in die zivilisierte Welt zurück und einige holten sich böse Frostbeulen. Einem Finnen sind die Backen keim Snowscooterfahren derart eingefroren, dass sie wieder aufgetaut werden mussten, richtig hart waren Bereiche an beiden Backen, trotz Helm und Sturmmaske. Die effektive Temperatur hat er auf ungefähr 70 Grad geschätzt, was allein bei knapp 30 Grad Normaltemperatur plus Gegenwind plus Fahrtwind sehr leicht vorzustellen ist – siebzig Grad Minus, hallo?!

Als ich am Sonntag früh zurück gewandert bin war es traumhaft ruhig, kein Wind, keine Wolke und der Mond lies den ganzen Schnee und das Eis erglitzern. Es war vorübergehend so hell, dass man fast lesen konnte.

Mittlerweile hat mich der Unialltag wieder fest im Griff, aber davon morgen mehr!

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

ach vogel, das hört sich ja sooo toll an. freue mich schon auf weitere berichte!

bis bald und erfrier nicht.

die becky

Anonym hat gesagt…

sau geil!!! mehr davon!!

Anonym hat gesagt…

Die Fotos sind der Hammer! Und auch der Bericht ist wieder wie schon die anderen Texte sehr schön zu lesen. Freut mich übrigens, dass dein Gewehr nicht "Justine" heißt, denn du weißt hoffentlich, dass dieser Name nur dem einen ganz besonderen Zelt gebührt ;-)