Sonntag, 30. Mai 2010

Is’ ja noch hell…

Ende April kam mal wieder die Wurstwarenabteilung aus der Heimat vorbei – Klesse und Manuel ließen sich nicht lumpen und begleiteten freundlicherweise 2kg Bratwurst, diverse Dosenwurst und weitere ausgesuchte Köstlichkeiten aus deutschen Metzgereien zu mir in den Kühlschrank!



Leider wurden die angepeilten zwei Wochen Nordpol jäh vom eigensinnigen isländischen Vulkan vermiest, so dass aber immerhin noch 10 Tage übrig blieben. Oberstes Ziel war jeden Tag irgendwas im Schnee zu machen, von Skikurs, Eishöhle zu Feldarbeit aufm Berg. Die danach fällige Ausruhzeit wurde derbe geprägt von intensiven Nudelpfanne-Sessions und ergiebigen Häkelorgien. Einige schüttelten den Kopf, doch wir machten die sonnige Nacht zum sonnigen Tag und häkelten uns unsere eigenen grandiosen Mützen. Nach kurzer Anweisung von Mützenfachfrau Vogel per Videokonferenz und im Beratermagazin von Youtube war der Plan geschmiedet und eine Sucht geweckt. Kein Murx, wir haben wirklich halbe Nächte lang bei mir in der Küche gehockt und gehäkelt. Aufgrund von wohlwissenden Hinweisen von Mützenfachfrau Vogel wurde weitgehend auf die Zuhilfenahme von Bier verzichtet und entsprechen durch Espresso aus der feinen Mainzer Kaffeerösterei ersetzt. Ich hätte nie gedacht, dass ein kleines Knäuel Wolle, eine Häkelnadel und der Wunsch nach einer eigenen Mütze zusammen so ein unglaubliches Suchtpotential haben kann!


Highlight zwischen all dem Häkeln war ohne Zweifel eine Scootertour nach Tempelfjorden inklusive der ersten gemeinsamen Einweihung unsers MSR Mutha Hubba. Mittlerweile hat sich das Zelt um einen zweiten Unterboden – footprint genannt - und einen Satz gepimpter Schneeheringe erweitert und freut sich schon auf das große Alaska Abenteuer!


Auf dem Burn Murdochbreen trafen wir und nach einiger Verspätung - die auf die benötigte Siesta des Scooterverleihs zu schieben war - Wes und Max. Manuel und Klesse sammelten ihre ersten Freeride Erfahrungen und wir genossen einen geilen Abend zu fünft im Nirgendwo bei deutschen Bratwürsten vom Einmalgrill, gefrorenem Kartoffelsalat und Röstzwiebeln im Teigmantel.


Am nächsten Tag wärmte die Mittagssonne unsere beiden Zelte schön auf, so dass das Öffnen der fetten Daunenschlafsäcke nicht zur Überwindung wurde. Während Wes und Max noch weitere Freerideträume wahr werden ließen, machten wir uns wieder auf den Rückweg, zurück auf den Tempelfjorden um ein paar Robben zu sehen. Diesmal sahen wir überall auf dem zugefrorenen Fjord die schwarzen Punkte verstreut liegen, die meisten verschwanden jedoch sofort sobald man sich ihnen näherte. Einige Robben waren aber auch von der entspannteren Sorte, so dass wir uns wirklich nähern konnten.



Eine weitere grandiose Nacht verbrachten wir zumindest zeitweise in der Eishöhle im und unterm Longyearbreen. Ganz ehrlich sind wir mit Skiern gen Eingang gestiegen und genossen eine entspannte Kaffepause im Gletscher bevor wir eine kleine Fotosession starteten. Manuel beeindruckte hierbei besonders durch seine ‚Standfestigkeit’ und sein Nicht-Blinzeln innerhalb der bis zu 15 Sekunden langen Belichtungszeit.


Da die beiden faulen Herren sich ja im Urlaub befanden, also frühes Aufstehen nicht wirklich auf der Agenda stand und wir alle drei treue Freunde des gepflegten Frühstücks sind, mussten wir zwangsweise unsere Außeneinsätze auf den Abend bzw. Nacht verlegen. Auch wenn wir uns fast jeden Tag vornahmen es am morgigen Tag früher zu versuchen, waren wir in diesem Vorhaben ziemlich erfolglos und irgendjemand musste dann wieder den Satz der Woche als Argument bringen: „Is’ ja noch hell!“ Damit war jeder zufrieden und so nahmen wir die Zeit wie man die Zeit nur nehmen kann, wenn sie im Endeffekt einfach bumms ist. In Erinnerung wird auch eine Nachtwanderung bei strahlendem Sonnenschein über den Plateaufjellet bleiben. Das Ziel des ganzen Trips mit zwei Pulkas war die kleine Hütte in Björndalen, jedoch standen zwischen uns und der Hütte zwei mächtige Wechten, die wir einfach nicht umgehen konnten. Nach einigem hin und her, einem nicht ermutigenden Schneeprofil und Setzungsgeräuschen im Flachen, kamen wir zu der Einsicht, dass wir den restlichen Teil der Nacht wohl nicht in der Hütte verbringen werden, sondern vielmehr auf dem Rückweg zurück nach Nybyen. Obwohl das ganze Vorhaben ‚Arktischer Hüttenabend’ grandios gescheitert ist, war der Trip an sich doch schon irgendwie lustig.



Am letzten Tag machten wir und zu einem finalen Trip mit Scootern nach Svea auf, um vielleicht doch noch irgendwie einen Bär zu erblicken. Schon auf dem Hinweg trafen wir Leute, die am vorherigen Tag einen gesehen hatten – die Vorfreude stieg. In Rindsbukta trafen wir dann auch wirklich auf super frische Spuren im leichten Schnee, was den Herzschlag nochmal ein wenig beschleunigte. Doch irgendwie war uns das Glück nicht hold und der Bär spielte wohl Verstecken mit uns – und gewann! Auf dem Rückweg in Reindalen und Semmeldalen fanden wir weitere Spuren, die allerdings nicht mehr ganz so frisch schienen.


Nach unserer glücklosen Eisbärensuche kam auch noch das Pech zu uns: Der recht altersschwache Schlitten hatte auf dem Hinweg mit der Anhängerkupplung schon ein wenig gemeckert, mit zunehmender Fahrt löste sich diese immer wieder, was wir immerhin noch mit einem Spanngurt ganz gut kontrollieren konnten. In Reindalen brach dann aber auch noch eine Verstrebung zu einer der Kufen. Ein ausgeklügeltes Gurt-Schlaufen-Knoten-System ersetzte die Verstrebung aber einigermaßen, so dass wir zumindest bedächtig weiterfahren konnten. Unser pfadfinderisches Einfallsreichtum wurde auch noch weiter ausgereizt, als wir unsere Scooter unterwegs auftanken mussten. Leider war mir irgendwie der große Trichter abhanden gekommen, so dass wir uns notdürftig aus der Aluverpackung der Outdoormahlzeiten einen improvisierten Trichter bastelten. Der Hühnchen-Curry Trichter tat seinen Job sowie nach einigen Nachbesserungen auch das ausgeklügelte Gurt-Schlaufen-Knoten-System.


Zwar haben wir keinen Bären gesehen, aber der Trip war ein Kracher und die ganzen 10 Tage bzw. Nächte vergingen wie immer viel zu schnell. Finales Highlight war dann eine Abrechnung auf einer halben Seite Einkaufszettel, wie ich sie noch nicht erlebt hab: Alle offenen Rechnungen des letzten Jahres wurden irgendwie miteinander vertüdelt und weil wir mehr oder weniger übereinstimmten, dass der Klesse am besten mit Zahlen umgehen kann, lag es an ihm, den ganzen Haufen irgendwie zu ordnen. Ich kann nicht beurteilen ob es ein gutes oder schlechtes Zeichen ist, aber auf fast mysteriöse Weise waren wir drei alle mit dem Ergebnis irgendwie zufrieden…

Mehr Bilder gibts wie immer bei Flickr: http://www.flickr.com/photos/39169533@N03/collections/72157623073250213/

Dienstag, 4. Mai 2010

Zwei Königinnen und ein Balthasar


Kurze Richtigstellung zum Anfang:
In einer telepathischen Rücksprache mit dem Sensei hat er mich wissen lassen, dass meine erhaltenen Orden in seiner Sprache vielmehr ‚Biachl’ und ‚Taschl’ heißen.
Nachdem ich mich für diese Fehlinformationen entschuldigt hatte, ging sogleich ein großer heller Stern am Firmament auf, dem umso schneller drei Abgesandte aus dem Abendlang folgten. Ich merke grade, dass Abendland im Vergleich zu meiner bevorstehenden Mitternachtssonne ein recht passender Ausdruck für good old Germany ist…egal. Die Drei Weisen hatte die verzweifelten Bitten meines deutschen Bauches vernommen, Gold und Myrre zuhause gelassen und dafür aber ihre großen Taschen mit einem fröhlichen Haribomix aus der gut sortierten deutschen Metzgerei gefüllt. Neben dem herrlichen Gefühl den Sweedy endlich mal bei mir am Nordpol zu haben, erfreute natürlich auch der Anblick des vollkommen überfüllten (Fleisch-)Kühlschranks. Zudem machten der Dödel mit Rene aka Balthasar die frohe Zusammenkunft in meiner arktischen Scheune perfekt.
Das Wetter machte dankenswerter Weise für die Weitgereisten eine arktische Pause, sodass wir jeden Tage Svalbard bei schönstem Licht genießen konnten. Auch wenn ich sie nicht zum Ski fahren bringen, was eher am bereits verliehenen Studenten Equipment als an der Motivation lag, so waren wir selbstverständlich jeden Tage draußen unterwegs. Alle Befürchtungen vom Dödel zum Trotz ist – oh Wunder – weder ein einzelner Zeh, noch kleiner Finger, ja noch nicht mal eine Nasenspitze abgefroren…

Obwohl ich sicher schon 1000 Bilder meiner Wechten nachhause geschickt hatte, machten wir uns bald zu einer kleinen höchst wissenschaftlichen Exkursion zum Gruvefjellet auf, wo ich die meisten meiner Daten sammle. Wie eigentlich immer zogs wie Hechtsuppe in Vanlenigsdalen, dem kleinen Tal über das wir hoch auf das Plateau kamen, was meiner Meinung nach den arktischen Abenteuerfaktor nur erhöhnen konnte.

Als nächstes stand eine kleine Cabintour auf der Abenteuer-to-do-Liste. So machten wir uns zur recht gemütlichen Björndalenhütte auf und genossen einen entspannten Tag bei Sonnenschein. Dank Einmalgrill und den importierten Nürnberger Rostbratwürstchen wurde das diesjährige Angrillen zu einem Festschmaus mit norwegischen (Kartoffelsalat aus der Plastepackung) und vor allem deutschen Spezialitäten (besagt Rostbratwürste und scharfer Thomy Senf mit Genuss). Leider mussten meine so lieb gewonnen Softshell Handschuhe bitter böse für unser Grillfest bezahlen, als ich amateurhaft in Handschuhen (wegen der Kälte) den heißen Grill in den Wind drehen wollte. So warm Handschuhe auch sein mögen, man merkt erst zu spät, wenn es zu heiß wird und so verabschiedeten sich dann doch 6,5 Handschuh-Fingerkuppen schmelzender Weise…
Als Wiedergutmachung kam dann ein wenig scheuer Polarfuchs am Abend super nah an die Hütte, womit ich auch den wichtigen Punkt ‚Wilde Tiere’ von der Abenteuer-to-do-Liste abhaken konnte. Die ebenso wenig scheuen Schneehühner gabs beim Hin- und Rückweg von der Cabin als Bonuspunkte gratis zum mitnehmen.


Auch der Himmel beglückte uns neben einem Hammer Sonnenuntergang mit einem ganz besonderen Geschenk: Als Rene und ich mal ein feines Kleines aus der Dose vor der Tür genossen, sahen wir einen grandiosen, leicht grünlichen Meteoriten. Kein Murx, aber wirklich genau so wie bei diesen unwirklichen RTL 2 „Dokumentationen“, so geil! Kurze Zeit war er sogar vom Plateau verdeckt, aber so ein derber Meteorit lässt sich davon natürlich nicht aufhalten und kam auf der andren Seite noch schöner wieder raus bevor er über dem offenen Meer in mehreren Pulsen verglühte.


Nächster Tag, nächstes Abenteuer: Die Icecave im Longyearbreen ist auf jeden Fall Pflicht für jeden Besucher. Da niemand irgendwie klaustrophobisch veranlagt war, stand einem entspannten Spaziergang in der Höhle im und unter dem Gletscher nichts mehr im Wege, Kaffeepause inklusive.


Ostern drohte kurzzeitig zum totalen Desaster zu werden, da der traditionelle Hefezopf – versehen mit einer ausgewählten Samenmischung aus dem Hause Mama – einfach nicht aufgehen wollte. Resignierend ließen wir die Sache eine Nacht auf sich beruhen, jedoch auch ohne Ergebnis… Die Erleuchtung kam dann am nächsten Tag beim schon recht verzweifelten Versuch, der Hefe im leicht vorgewärmten Backofen endlich Beine zu machen – mit Erfolg. Noch quasi zu Frühstückszeiten stand dann der duftende Zopf mit ausgefeilter männlicher Flechttechnik auf dem Küchentisch, Ostern war gerettet und Mama stolz auf ihre so fähigen Kinder…


Wie die Eishöhle so ist eigentlich auch der Besuch der alten verlassenen Mine über Nybyen im Pflichtprogramm jedes Besuchers gelistet. Die Mine besticht durch ihre offene, geräumige Bauweise mit Charme fürs Rustikale und begeistert zudem durch ihre einzigartige Aussicht auf Longyearbyen (Quelle Schöner Wohnen…). Am nächsten Morgen nahm ich det Joeline huckepack auf die Hvite Layla und machten uns auf Robben-Safari. Aus dem Tropenhelm wurde ein riesiger schwarzer Scooterhelm und aus dem aufgeknöpften kakifarbenem Hemd ein etwas zu groß geratener Overall im 80er Jahre Design; zumindest die dicke Wumme war am Start. Ariells Papa meinte es sehr gut mit uns, so dass er eine hübsche kleine Robbe zu uns in den Fjord aufs Eis entsandte. Schon von weitem konnten wir den dunklen Flecken auf dem Meereis liegen sehen und in Pirschfahrt schlich sich die Hvite Layla an das Objekt der Begierde heran. Wie nah ist immer noch zu weit weg und wie weit ist wiederum zu nah dran, ist die alles entscheidende Frage. Ein Schritt zuviel und die Robbe verschwindet in ihrem Loch. Von erfolglosen Robbenjägern hatten wir in den Tagen zuvor gehört, dass solang man den Motor des Scooters laufen lässt, man sich ziemlich weit den Robben nähern könnte. Der Grund hierfür wird sein, dass man nicht vom Scooter aus jagen darf, also die Robben Scooter nicht mit Gefahr verbinden. Auf Streichel-Distanz kam ich jetzt nicht ganz, aber immerhin sehr beeindruckend. Später erfuhren wir, dass es eine einjährige Ringelrobbe gewesen war, aha…


Zum letzten großen Abenteuer machen wir uns am bereits vorletzten Tag auf: Scootertour zur russischen Minenstadt Barentsburg, pennen in der Luxuscabin Kapp Laila und auf dem Rückweg noch den kleinen Abstecher in die Minigeisterstadt Colesbukta. Wie immer war das Wetter besucherfreundlich warm und so war diese Tour auch sicher irgendwie die Krönung für die drei wackeren Gesandte aus dem Abendland. Barentsburg fühlt sich irgendwie komisch für mich zumindest an: Da leben vielleicht 500 Russen keine 60 km von Longyearbyen in einem wirklichen Paralleluniversum, während wir hier doch eigentlich ein recht normales Leben können - außer Zweifel an einem komplett unnormalen Ort, aber trotzdem. Hier ist das Leben an sich nicht viel anders als zuhause aufm Lerchenberg und die Jungs dort leben noch irgendwie im Kalten Krieg. Zudem kommen jeden Tag Scharen an Touristen, die sich das auch noch angucken wollen…ein unbeschreiblich komisches Gefühl. Naja wie dem auch sei, in Kapp Laila hatten wir mal wieder einen lässigen Abend, der noch vom Einzug der Bayern ins Halbfinale gekrönt wurde. Kaminfeuer und Meereis vor der Haustür sorgten für gude Laune (Alter). Auch am letzten Tag nochmal durch die verlassenen Häuser von Colesbukta zu gehen hinterließ besondere Eindrücke.

Natürlich kam dann, was immer irgendwann in jedem Urlaub kommen muss und das ist natürlich der Abschied. Mein Zimmer wurde zusehends leerer und irgendwann am Ende fuhr dann auch der Bus die drei Weitgereisten einem neuen Tag entgegen. Ein kurzer Schauer fröstelt mich als ich dem Bus den Rücken zu drehe, in der Ferne jault ein arktischer Kojote sein einsames Lied und irgendwie fehlte nicht nur John Wayne in der Szene… Zumindest hab ich jetzt die gesamten 90 cm meines Studenten-Luxus-Bettes ohne Federkernmatratze wieder für mich…