Dienstag, 24. Februar 2009

Ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein Riesenschritt für den Vogel

Das erste Kapitel Spitzbergen 2009 ist schon wieder abgeschlossen. Das Buch allerdings ist offen liegen geblieben. In der letzten Woche galt es quasi alles was ich mir davor Schlaues ausgedacht hatte, in die Tat umzusetzen. Eine automatische Kamera, die täglich zwei Bilder macht, wurde den Berg hoch getragen, ebenso meine überaus akkurat gesägten und markierten Bambusstöcke. Die Idee war, die Kamera ziemlich an der Kante vom Plateauberg Gruvefjellet zu platzieren, um so das Wechtenwachstum zu dokumentieren. Am Ende bekomme ich (wenn die Kamera die ganze Zeit funktioniert) wie ein Daumenkino der ganzen Saison raus. Die Bambusstäbe dienen dabei als Referenzpunkt – sowohl was Größe als auch Ausrichtung betrifft.

Doch just an meinem Berg ist Scooterfahren verboten und so musste alles getragen / gezogen werden. Zum Glück konnte ich Ulli und Max für den Tag gewinnen, sonst würde ich wohl immer noch versuchen mit der Pulka hinter mir das Tal hoch zu kommen. Ich hab nicht unbedingt mit Sonnenschein und 20°C plus gerechnet, auch nicht gehofft, aber oben zogs schon wie verdammischte Hechtsuppe. Was oder vielmehr wer an der Hechtsuppe allerdings schon seit Generationen zieht, blieb unergründlich. Egal, es war zwar nicht so kalt (-10°C), dafür aber als ausgleichende Gerechtigkeit und um die Mannhaftigkeit zu wahren, brutal windig. Den Elementen trotzend (hör sich auch männlich an…) haben wir aber die Kamera aufgebaut und die 18 Bambusstäbe in den gefrorenen Boden gebohrt bekommen. Gebohrt – deshalb nimmt man auf so eine schöne Tour ja auch gerne mal ne dicke Hilti mit (Hilti = Inbegriff von ner Bohrmaschine).
Das Gefühl war bei der ganzen Geschichte (mal abgesehen davon, dass es recht kühl und zügig war) schon besonders, da ich irgendwann verstand, dass es mein Projekt ist, meine Masterarbeit. Es ist wie irgendwie dort angekommen zu sein, wo ich vielleicht hin wollte, als ich vor zweieinhalb Jahren mit einem Haufen Papier genervt vom örtlichen System beim Amt für Auslandsangelegenheiten an der Uni stand, um mein Academic Record für Spitzbergen Teil 1 übersetzen zu lassen. Ui, langer Satz, mindestens so lang wie der Weg. Weil aber der Weg das Ziel ist bzw. ja zumindest sein soll, war es eine schöne, nein geile Zeit vom Auslandsangelegenheitenamt bis hier hoch! Mit dem Aufbau der Kamera und den Stäben zusätzlich zu einer zweiten Kamera, die vom Tal aus den gesamten Bereich aufnimmt, ist der eigentliche Zweck meines ersten Aufenthalts 2009 erfolgreich erfüllt.
Zwei Tage später war ich nochmal alleine oben um die Funktion der Kamera zu checken und die Speicherkarte zu wechseln. Damit ich nicht ganz so alleine bin, war an diesem Tag der Nebel mein treuer Gefährte. Und je länger ich dort oben alleine war, desto stärker kümmerte sich dieser auch um mich – wie nett doch von ihm. Auf dem Weg zur Kamera, wo ich ein großes Plateau überqueren muss, lies mich schon ein in 15 Metern stehendes mit dem Nebel Verstecken spielendes riesiges weißes Rentier erschrecken und zusammenzucken. Zum Nebel und wahrscheinlich vom lustigen Versteck-Spiel angeregt, gesellte sich dann der Schnee, was mir auf dem Rückweg nach dem Plateau trotz Sicht gleich Null eine herrliche Abfahrt bescherte. Wasn geiles Gefühl die Augen fast schließen zu können – na ja mit offenen sah ich nicht unbedingt mehr – und richtig smooth auf den Larsbreen und den restlichen Gletscher runter zu powdern. Man muss gar nicht denken (was eine Wohltat), die Beine schwingen von alleine und es wird ein wenig ruhig um einen. Das kleine innerliche Lächeln ist unter der Gesichtsmaske kaum auszumachen. Kaum zurück in der Barakke, machte ich mich nach einem oder zwei Pötten Kaffe und einem kleinen Mahl mit Andech (schwedischer Name) nochmal auf zur Icecave – zum Glück aber mit Scootern. Das ganze Gelatsche hatte doch ein wenig geschlaucht. Mittlerweile war es dunkel und der starke Schneefall machte die Orientierung nicht gerade einfacher. Ohne eine vom Haupttrack abgehende Spur hätten wir die Höhle sicher nicht so schnell gefunden. Unten taucht man wie in eine andere Welt ab – auch wenn ich die Uhr deutlich in meinem Hinterkopf ticken höre: Später wollte ich noch bei Max ne geile Schweinelende schmausen. Irgendwie muss ich wohl vergessen haben, dass eine Höhle eine Höhle ist, weil über dir nicht Himmel, sondern irgendwas anderes ist. In einer Eishöhle ist dies meistens Eis. Bei dem dummen Versuch aus der Hocke aufzustehen, überprüfte ich mal wie hart dicke Eiszapfen sind – sehr hart. Zur Beruhigung der Miniplatzwunde habe ich dann mal ganz männlich einen Eiszapfen draufgelegt, hätte Bruce Willis sicher auch so gemacht. Dass ich noch ein zweites Mal versuchte der Höhle nach oben einen Zweiten Eingang zu schaffen, kann ich nur darauf zurückführen, dass ich Hunger hatte und schnell zur Schweinelende wollte. Aus der Abkürzung nach oben wurde nichts, aber die Lende war trotz des langen Weges zum Nordpol noch recht zart. In der Nacht hieß es noch zusammenpacken. Wie ich es hasse! Wieder einpacken ist so eine lästige Sache. Beim Packen freut man sich auf den bevorstehenden Urlaub, denkt man ob Mann vielleicht doch besser noch ein Paar warme Socken einpacken sollte – es könnte ja frisch werden – aber beim wieder Einpacken ist die ganze Euphorie verflogen, ganz zu schweigen von der Frische der einzupackenden Socken. Zum Glück bin ich Freund von riesigen Taschen und so konnte ich jegliche Zusammenleg-Motivationsmängel kompensieren.


Am nächsten Mittag musste ich schließlich die gepackten Taschen schultern und zum Bus wuchten. Es ist immer wieder verwunderlich, wie viel man doch im Endeffekt wieder dabei hat. Im Gegensatz zum letzten Aufbruch bin ich jetzt jedoch gefasst. Stand letztes Mal noch ein dickes Fragezeichen vor meinem folgenden Weg, ist es nun durch ein Ausrufezeichen ersetzt worden. Nach Ostern bin ich ja wieder hier! Obwohl keine zusätzliche Motivation von Nöten ist, freu ich mich schon auf meine fetten Gotamas, die dann irgendwo auf mich warten, um Hjortfjellet und den Vesuv unsicher zu machen! Bis Ostern!

Samstag, 14. Februar 2009

Ohne Flasche – keine Competition

Was bei Germany’s Next Topmodel 2007 Kult wurde, habe ich mir wohl nicht zu Herzen genommen…aber der Reihe nach:
Letzten Sonntag war ich wie groß angekündigt auf dem Trollsteinen um nach meiner vor Ewigkeiten platzierten Flaschenpost zu suchen. Leider bekam ich kurzfristig keine Schatzkarte mehr geschickt und das Suchen gestaltete sich nicht nur wegen Schnee und Eis recht schwierig, sondern auch aufgrund der Tatsache dass ich gar nicht wusste wonach ich suchte. Egal, der Weg ist das Ziel und wenn die Flasche oder was auch immer dort oben ist, nicht zu mir kommt muss ich halt wieder zum Berg. Es ist ja nicht so, dass ich nicht auch sonst dorthin gehen würde um später im Schnee mit meinen Skiern gar lustige Streifen zu hinterlassen. Jedenfalls hatten wir einen traumhaften Tag, wolkenlos und wirklich hell erwischt. Wahnsinn, dieses bläuliche Licht, dem du schon vom Angucken die Kälte ansehen willst, am Horizont der blass rötliche aber nicht wirklich wärmende Schimmer und eine Aussicht bis zum Rand der Weltscheibe.
Irgendwas muss ich mir aber mal mit meinen Schuhen bzw. eher mit meinen Füssen einfallen lassen. Seitdem die mal ein wenig viel zu kalt wurden beim Hundeschlittenfahren vor 1,5 Jahren, hab ich das Gefühl, dass die 10 Kleinen Zwerge immer sensibler auf Kälte reagieren. Das ist besonders dann von Nachteil, wenn man eben in der Kälte unterwegs ist. Dann und das hat die Kälte so an sich, ist es nämlich kalt - und kalte Füße sind murks. Zuerst merkt man wie die Zehenspitzen immer kühler werden und obwohl man versucht, die Zehen soviel es geht zu bewegen, ändert sich irgendwie nicht viel. Irgendwann kommt dann das Gefühl als ob die Schuhe zu klein wären oder sich die Sohle im Schuh verschoben hat; die Spitzen haben dann kein Gefühl mehr richtig. Die Tage hab ich schon mit Filzsohlen unter dem Innenschuh experimentiert, vielleicht wird das was.

Am Gipfel jedenfalls war es trotz kalten Zehen einfach der Hammer und so blieben wir eine kleine Ewigkeit. Obwohl die Sonne sich bis jetzt immer noch erfolgreich in ihrer Höhle hinter dem Horizont links versteckt hat, war es fast wie Tageslicht an diesem Vormittag.
Doch trotz aller Freude machte sich ein komisches Gefühl breit – irgendwas fehlte, irgendwas hab ich was vergessen oder war anders. Oben fiel es mir ein – es war der Johannes bzw. die Thermosflasche vom Johannes. So viele Monate waren wir 2007 ein eingespieltes Team gewesen, dass ich an so was gar nicht mehr gedacht hatte. Irgendwie hatten wir uns arrangiert und Teil des Deals war, dass der gude Mann seine Thermoskanne mitnimmt. Also kein Johannes, keine Thermosflasche was wiederum für mich soviel heiß wie keine Thermosflasche – kein warmer Tee. Aber wir sind ja nicht am Nordpol und deshalb wurde ich wenige Tage später stolzer Besitzer einer 0,5 L Thermosflasche mit Druckverschluss und kleinem Becher zum Abschrauben. Ein Schnäppchen für knappe 6 €! Es ist ja nicht so dass die Flasche den Johannes ersetzen könnte aber ich hab sie in Anlehnung gleich ‚Johannes’ getauft. Gerade beim Schreiben fällt mir auf, dass das Wort ‚Flasche’ ja feminin ist…irgendwie muss ich das ganze wohl noch mal überdenken. Aber ich will auch keine Thermosflasche ‚Johanna’ haben! Klingt wie ein IKEA-Regal oder so. Ne, scheiss, auf „den Femeninum“ der Flasche (na also: der Flasche) – das Ding heißt Johannes, basta!


Kaum zurück und zwei Stunden gechillt, bin ich mit Allison und ihrem neuen alten Scooter Luna Rida (von lat. luna – der Mond) auf die andre Seite vom Fjord gefahren. Ziel ist eine kleine Radistation genau gegenüber von Longyearbyen. Wenn die Aussicht am Vormittag schon phänomenal war, war sie nun phänomenal²! Zum perfekten Panorama hätten nur noch Nordlichter gefehlt – aber das ist ja schon fast wie ne 10 einfach so am Strand spazieren zu sehen.

Mittlerweile kann ich meine Kamera auch schon mehr als an und aus machen und es ist ein cooles Gefühl, wenn die Kamera auch das macht, was man will und nicht man wollen muss, was die Kamera macht. Damit ein zweites Desaster nicht noch mal durch einen ausgetrunkenen Akku entsteht, habe ich mit der Thermosflasche (komisch, wieder ‚der Flasche’…) auch noch einen Reserveakku erstanden. Der Fachberater im Svalbardbutikken wusste sogar, dass es sich um einen EN-EL Lithium Ionen Akku handelt, aha. What ever, der Akku sieht aus wie der erste und passt auch in die Ladebox. Ob das schon reicht um daraus zu schließen, dass der original Akku auch ein EN-EL Lithium Ionen Akku ist, muss ich mir noch überlegen, scheint aber nach bisherigen Kenntnisstand durchaus wahrscheinlich.

Der Anfang der Woche war von schweren handwerklichen Arbeiten geprägt, was ich trotz meiner beiden linken Hände einigermaßen passabel hinbekam. Irgendwie hab ich da leider nichts vom Opa geerbt, doch mein stolzes Werk waren 13 exakt 1m lange Bambusstangen mit 5 cm Markierungen aus schwarzen und roten Reflektorbändern und 5 1,20m Stangen mit 10 cm Markierungen. Immerhin! Ich unterschlage absichtlich die benötiget Arbeitszeit – das Ergebnis zählt! Was aus den Stangen geworden ist, was Bambus überhaupt auf Spitzbergen macht und wie der Vogel diesen aufgespürt hat – dazu mehr nach der Werbung.

Samstag, 7. Februar 2009

Vesuv, Vesuv, wir fahren zum Vesuv

Der Vesuv ist wohl nicht einer der Berge, die man direkt mit Skifahren in Verbindung bringt. Eher mit Vulkanausbrüchen, Pompeji, Ausgrabungen und Touristen. Trotzdem habe ich bei meinen Recherchen zu diesem Bloggeintrag gelesen, dass es tatsächlich möglich sein soll, auf dem Vesuv Skizufahren.


Wesentlich wahrscheinlicher ist dies jedoch auf dem Vesuv auf Spitzbergen. Es gibt nämlich tatsächlich noch gut 4200 km nördlich von Neapel einen zweiten Vesuv, der ungeachtet seines Namens doch verhältnismäßig wenig Touristen anzieht. Es gibt keine riesigen Parkplätze, wo die riesigen Reisebusse in der Sonne glühen, keine Japaner, die wie wild auf ihren neusten Nikon-Kameras herumknipsen und auch keinen Reiseleiter, der immer mit dem gelben Fähnchen vorneweg läuft. Vielleicht mag es daran liegen, dass unterhalb halt vom Berg kein Pompeji liegt, die Wege nicht ganz so ausgebaut sind, die Anreise ein wenig beschwerlicher ist, es vielleicht auch etwas kühler ist, oder einfach, weil der zweite Vesuv eben auf Spitzbergen liegt. Um genauer zu sein auf 78° 4’ 0 N und 14° 49’ 60 E. Dieser Berg sieht aus als habe ihn jemand am Reißbrett konstruiert und dabei an ein Dreieck gedacht, dem allerdings aus unerfindlichen Gründen die Spitze fehlt. Ich habe beide Vesuve (Vesuvs) schon gesehen, doch ganz ehrlich um – um wieder auf das Skifahren zu kommen – reizt mich die kältere, nördlichere Version schon ein wenig mehr! Das Ziel ist also ausgemacht, ich denke nicht, dass es die Tage hier noch klappt, aber für April, wenn ich wieder zurück komme nach Spitzbergen, steht er ganz oben auf der Liste! Im April darf ich auch endlich meine neue Skier in Empfang nehmen. Habe mir die Tage taxfree die Gotama von Völkl bestellt – in 1,83m. Und hier sind wir beim ersten Problem: Bevor ich nach Oslo gecruised bin, habe ich mir sone Skitasche gekauft, wo neben den Skiern auch Schuhe, Stöcke und das ganze Skizeugs reinpassen. Alles super, alles sicher verstaut und sogar noch Rollen hinten dran, dass man es auch ziehen kann. Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass die Tasche - so praktisch sie auch ist - 1,80m lang ist. Für meine aktuellen Ski von 1,78m passend, allerdings halt 3 cm zu klein für die Gotama… Zum Glück hatte der nette taxfree Internethändler die Lösung gleich parat – exakt dieselbe Tasche, mit denselben Rollen, denselben Verschlüssen, ja selbst der gleichen Farbe in 1,90! Also jeder der eine neue 1,80 Tasche zum Sonderfreundschaftspreis haben möchte, schreit ‚Hier’, oka? Das zweite Problem hab zum Glück nicht ich, sondern der Ole – Roooonald! Mit dem Tag der Bestellung und Überweisung, bin ich nämlich in der ewigen Liste der breitesten Skier wieder an ihm vorbei gezogen und werde den ersten Platz auch so schnell nicht mehr verlieren. Für die, die nichts mit Skiern zu tun haben, sei gesagt, dass je fetter der Ski, desto mehr schwimmt der Ski im Powder auf, desto weniger aber kann man mit einem solchen auch auf der Piste anfangen. Da wir ganz gentlemen-style die Piste aber dem Simon überlassen, sind fettere Ski die logische Folge.

Morgen früh will ich hier auf den Trollsteinen touren, denn dort haben meine treuen Küchenkumpanen Mikko und Marco im Herbst 2007 eine Flaschenpost für mich hinterlegt. Seit dem ist viel Wind ins Land gezogen, aber ich bin immer noch guter Hoffnung irgendwas dort oben zu finden!
Das Problem beim Finden ist ja meistens das Suchen nach etwas, es sei denn man sucht nach nichts und findet alles, was natürlich immer am besten ist. Wenn ich jedoch die Nachricht finden will, muss ich ja danach suchen, aber ich weiß noch nicht genau, wonach ich suchen soll – ich weiß nur oben ist / liegt / steht eine Nachricht für mich. Die gilt es also zu finden – auf geht’s Suchen!

Mittwoch, 4. Februar 2009

Vor direkter Sonneneinstrahlung schützen…und der Uli Hoeness Gedächtniss-Elfer

Samstagabend ist etwas ganz komisches passiert. Naja, eigentlich nicht ganz so komisch, aber unter den gegebenen Umständen durchaus belächelnswert: Ich hab mich verlaufen! In einem Kaff von 1900 Einwohnern! Einem Kaff mit nur einer Hauptstraße. Abends wollte ich zu Max österreichischer Würstelparty – 19.00Uhr, Hausnummer 12, beim Hotel da hoch die Straße. Aber der Vogel, nur halbe hingehört, jaja passt schon, bis später….später! Alles war darauf ausgerichtet, mehr oder weniger bei Zeiten loszulaufen und dann auf halbem Weg anzurufen, wie das ‚die Jugendlichen’ heutzutage ja immer so machen (ja Opa, immer telefonieren und nichts richtig ausmachen). Also ums kurz zu machen, ich war unterwegs – schon ein wenig spät – und da find ich Max Nummer nicht im Handy. Aaaaaaargh! Also noch mal alles durch, ne nichts drinn. Wie kann ich ihn denn noch genannt haben?! Naja, mal auf Gut Glück die Straße hoch, hat doch was von Hotel erzählt und soviel Häuser 12 gibt’s auch nicht. Der erste Fehler war das nicht richtige Zuhören, der zweite, nicht zu fragen ‚Welches Hotel?’(es gibt nämlich nicht nur eins, Longyearbyen ist eine Metropole). Ich hab also das falsche Hotel ausgewählt und auch keine Nummer 12 gefunden. Also zum anderen Hotel gelatscht, es ist ja nicht so, dass es irgendwie kühl draußen ist und ich auch noch in Eile bin, neeee…
Am anderen Hotel muss ich feststellen, dass Longyearbyen über erstaunlich viele kleinere Straßen verfügt, die immer wieder von vorne anfangen zu zählen. Mittlerweile hat sich auch noch mein Handyakku gemeldet…also entweder ER meldet sich bald oder das wird heut Abend nichts mehr mit Käsekrainer. Ich entdecke immer mehr kleine Straßen - Spitzbergen wird immer größer und ich immer verlorener. Plötzlich tutet mein Handy - nur noch ein Balken. Die Situation spitzt sich also zu. Endlich ruft Max an wo ich bleibe und wo ich bin. Ja, wo bin ich eigentlich?! Die Straße hoch, links…verdammisch, ich bin in Spitzbergen!!! Nachdem mein Handyakku Erbarmen hatte mit mir und das Gespräch noch ermöglichte, stand Bier, Kartoffelsalat und Käsekrainern nichts mehr im Wege. Als beruhigendes Element begleiteten mich übrigens schöne Nordlichter am Firmament, hätte nur noch der Stern von Bethlehem gefehlt und ich hätt gewusst wo lang es geht…
Sonntag wollte ich dann früh aufstehen um mit Allison, die kurz bevor ich Svalbard verließ ankam, die erste Skitour zu machen. Mit dem früh aufstehen hat das nicht ganz geklappt, aber ich kann hier ja die andauernde Dunkelheit bequem als Grund nennen. Die Tour war einfach en Traum, auch wenn wir nicht schnell, hoch, weit oder was auch immer gestiegen sind, ich habs einfach nur aus vollen Zügen genossen! Wie viele Male bin ich hier damals hochdedappt? Am Anfang morgens um möglichst viel Licht zu haben, dann später nach der Uni und als die Sonne erstmal nicht mehr untergehen wollte, quasi rund um die Uhr. Jetzt war ich wieder hier und das Gefühl war einfach grandios. Der positive Beigeschmack war die Kür, die Abfahrt. Nicht berauschende doch erstaunliche 10 cm Powder über dem harten Deckel. Traumhaft, einfach ein paar Lines in den Larsbreen cruisen.
Kaum kam das geile Flow-Gefühl auf, war ich auch schon wieder unten, aber immerhin endlich mal wieder Skifahren! Doch zum Ausruhen war keine Zeit – Sonntag ist Kajakpolo-Tag. Letztes Mal hab ich noch vom Traum gebloggt, irgendwann mal (wenn ich kajaken kann) ein Tor zu werfen. Heute ist alles anders. Da ist sie die Chance, plötzlich steh ich da, bekomm den Ball und der Weg zum Tor ist frei. Hektik und Torschusspanik macht sich in mir breit. Ich versuch gar nicht erst noch näher zu kommen, bevor ich mich bewegen und überlege kann welche Seite vom komisch verdrehen Paddel ich festhalten muss und welche ich drehen muss, haben mich die ganzen Jungs schon wieder eingeholt. Also Wurf! Aber mehr als ein 1976er Uli Hoeness Gedächtnis-Elfer kommt nicht dabei rum. Ich bin geschockt! Da war sie die Chance, werd ich sie noch mal bekommen?! Wenige Minuten später versage ich erneut…eiieie das nächste Mal, muss ich mehr Frühstücken! Oder vielleicht doch mal zu Schokolade greifen? Zum Abschluss noch die Paradedisziplin: Eskimorolle. Unterwasser muss man irgendwie versuchen erstmal zu chillen, dann das Paddel weiter hinten greifen, parallel zum Boot führen und drehen. Das Entscheidende ist die folgende schnelle Bewegung aus der Schulter heraus und dann noch der Kick aus der Hüfte – aha. Irgendwie bin ich plötzlich oben, komisch, ging aber einfach. Nochmal, wieder klappt es. Gut, die B-Note lässt sehr zu wünschen übrig, aber ich sitz noch in dem wackligen Ding, mein Kopf ist oben und ich kann atmen. Jetzt wirds wir das aber zu bunt – dreht Max die ganze Zeit das Boot herum? Ney, alles allein! Rocky-Musik im Ohr! Langsam muss ich mir eingestehen, ich bin einfach unglaublich begabt und habs einfach brutal drauf. Deshalb war ich heute auch nicht im Dienstagstraining, um die anderen nicht komplett zu deklassieren…

Zwei Tage lang hatten wir hier ordentlich Wind und die Temperaturen sind wieder auf normalere -22°C gesunken. Das Dumme am Sturm ist der Wind, der macht die ganze Sache eher unangenehm. Kaum hat der Sturm am Abend ein wenig abgenommen, mach ich mich noch mal hoch zu Sverdrupbyen um ein Vergleichfoto vor und nach dem Sturm zu machen. Vielleicht lässt ja so ein Ereignis die Wechten ordentlich wachsen. Vielleicht, auf den Bildern erkenne ich jedoch noch nichts. Unten im Tal will ich noch ein Bild von mir machen und stell die Kamera auf mein 15 € Stativ. Kaum sind die 10 Sekunden Zeitauslöser abgebeeps, ich steh grinsend in Position, da will doch eine Windböe mir mein Stativ samt Kamera stibitzen. Beide rutschen noch stehend auf einer Eisplatte dahin. Erschrocken will ich hinterher und leg mich mal voll aufs Maul. Besser gesagt aufs Knie, was sowieso schon immer ein wenig wehleidig ist. Es ist dieses blöde Gefühl, wo man direkt in einer Sekunde weiß ‚Scheiße, das fühlt sich nicht so gut an’. Zurück in der Barakke ist das Knie auch schon schön rot, blau und wird dick. Zum Glück ist die Globalisierung an Longyearbyen nicht spurlos vorbei gezogen und wir haben jetzt hier eine Apotheke. Normalerweise hab ich son olles Mobilat oder noch besser Voltaren immer in einem Koffer rumfliegen, aber da zeigen sich wieder mal die Nachteile, wenn beim Packen die weibliche Unterstützung fehlt und noch jemand mitdenkt anstatt nur rein und zu. Naja, vorhin war ich jedenfalls in der neuen, modernen Apotheke und schildere der netten Apothekenfachverkäuferin mein Unglück. Zwei Minuten später bin ich für schlappe 13 € Besitzer von 60 g Orudis, 2,5% gel / hlaup ketoprofen. Da bin ich ja mal gespannt was das kann. Doch zuversichtlich bezahle ich und während ich noch alles in meinem roten Rucksack verstaue, meine Riesenhandschuhe herausfriemele, die Wollmütze aufsetze und die Klaettermusenjacke bis oben zuziehe, guckt mich die nette Fachverkäuferin wissend, ja fast belehrend an und sagt ‚After you put on creme, do avoid direkt sunshine on it!’ – sie grinst und beide fangen wir an zu lachen. Willkommen auf Spitzbergen.