Samstag, 28. April 2007

Chefsalat und Flugzeuge im Bauch


Letzte Woche hat sich der erste mutige Kämpfer aus dem sommerlich warmen Deutschland in die hohe Arktis gewagt. Die Schwierigkeit für mich bestand nicht nur in einer möglichst perfekten Präsentation aller Möglichkeiten hier oben, sonder auch noch alles dem Oli – seines Zeichens nämlich der lauffaulste Mensch auf der ganzen Insel – mit wenig Laufen irgendwie zu ermöglichen…
Lässig hatten wir nur ein paar Tage vorher telefoniert und der gude Mann quasi gesagt: „Also entweder ich komm übermorgen oder in einer Woche – was soll ich mitbringen?!“ Übermorgen also! Stilecht hab ich mir am späten Abend noch einen Scooter geliehen, einen Scooteroverall geborgt (nicht dass der Liebe schon mit Frostbeulen zu kämpfen hat, bevor alles anfängt), die Waffe geschultert und zum Flughafen gecruised. Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke nicht, dass es viele Flughäfen auf der ganzen Welt gibt, in denen man nicht blöd angeschaut wird, wenn man in der (Wohnzimmer-)Wartehalle mit einem Gewehr auf dem Rücken, Sturmmaske vor dem Gesicht und Helm aufm Kopf steht. Und ab gings, keine halbe Stunde gelandet, zur ersten (wenn auch sehr kleinen) Scootertour. Jetzt ists ja auch 24 Stunden am Tag hell, da kann man schon was machen.
Grosses stand an diesem Wochenende an, zugleich lies aber der Wetterreport nichts Gutes hoffen. Seit Ostern hatte es nicht mehr (richtig) geschneit, die Schneeoberfläche war also richtig hart windverblasen, dass ich sogar zwei Tage vorher zum Lage checken aufm Berg den Wanderschuhen den Vorzug vor den Skiern gab (kam hier auch noch nicht so oft vor…). Am Wochenende sollte der Schnee kommen, mit dem Oli aber auch der Sturm. Zudem sollte es im Laufe der Tage noch wärmer werden, so warm, dass schon von Regen die Rede war.
Donnerstagabend ging dann nicht mehr ganz soviel: Es wurde mir nur wieder bestätigt, dass das norwegische Bier halt kein Beck’s ist…
Freitag sind wir dann recht kurz zur Uni (was zu Olis Erschrecken wirklich eine halbe Stunde hin dauert…). Nach der Vorlesung kamen wir in den Genuss in Annes kleinem Pferdefütter-Auto, in dem mehr Heu liegt als es in ganz Spitzbergen freilebend gibt, hoch nach Nybien zu fahren. Kurz gestärkt machten wir uns auf den Weg zur Eishöhle. Nicht nur zu Olis Unglück (aber wohl vor allem) wurde aus der einen Stunde Laufen noch ne halbe mehr. Entschädigen konnte dann die Höhle wie erhofft für alles. Glück hatte ich, als ich noch im Eingang feststellte, dass meine Kopflampe nicht gaaanz so hell leuchtet, und oben noch Jonas stand, der eben noch unten war. Also mit neuer Lampe und großer Zufriedenheit ging es wieder hinab in diese einzigartige Welt. Ein bisschen laufen, ein wenig kriechen, robben und man hat eine geile Zeit da unten. Überall glitzert es, geht man um eine Ecke, scheint alles wie ein erstarrter Wasserfluss. Teilweise kann man richtig weit ins Eis, das einen in allen Richtungen umgibt, gucken. Irgendwie hat man gar nicht das Gefühl, dass es überhaupt Eis ist, so klar ist es und auch unbeschreiblich glatt. Vielleicht liegt es aber auch darin, dass es ungemein warm ist: nur zwei, drei Grad unter Null.

Kommt man nach dieser kleinen Entdeckungsreise wieder in den Eingang wird man vom Licht quasi umgehauen. Halb erblindet kann man sich dann an den eingefrorenen Bandschlingen nach oben hangeln und ziehen.
Oben angekommen machen wir uns schnell auf den Weg zurück, der auch gar nicht mehr sooo lang war um noch zum allwöchentlichen Friday gathering zu kommen. War schön wieder nach der ganzen Osterzeit am Feuer zu sitzen, mit ein paar Leuten zu quatschen und ein auf Eis gekühltes norwegisches Bier zu trinken.
Samstag war er endlich – der Tag den unsere Küche, nein unser ganzer Flur herbeigesehnt hat. Den Tag der Wahrheit! Vor ein paar Wochen sind unser Pläne, die irgendwann ziemlich am Anfang schon entstanden sind, konkreter geworden und wir verfassten den ersten Brief an den Sysselmann, den Gouverneur von Spitzbergen, um ihn zum essen in unsere Küche einzuladen. Und kaum einen halben Tag später hatten wir seine Zusage in der mailbox. Sysselmann kommt mit seiner Frau! Wie geil – ist quasi wie grillen mit Gerd und Doris im Schrebergarten und dabei ein frisch Gezapftes.
Mittags haben wir schon die ersten Sachen vorbereitet, auch um auf den zweiten Scooter zum Skifahren zu warten, denn wir brachten ja wieder einen Liftersatz (sonst muss man ja laufen). Die ganze Küche war in extrem guter Laune, hier wurde gebacken, da geräumt, Tischkärtchen geschrieben, da die ersten Sachen klein geschnibbelt und nicht zu guter Letzt alles auf einen Reinheitsstand gebracht, den die Küche wahrscheinlich bei der Fertigstellung nicht mal hatte. Als der Scooter endlich vom Einkaufen zurück war gings ab zum skifahren, den über Nacht gefallenen ersehnten Schnee genießen. An einem schmalen Taleinschnitt mussten wir aber enttäuscht abbrechen, da wir quasi nur in der Scooterspur fahren konnten, links und rechts waren oben überall noch Steine zu sehen (Steinslalom ist net ganz so doll) und unten waren vor einiger Zeit Lawinen abgegangen, deren Überreste einfach verfroren sind – also auch nicht gut.
In Vardalen hatten wir mehr Glück, Schnee war geil, Sonne kam raus und auch das Gelände war schon deutlich schöner. Aber natürlich musste die Sache einen Haken haben, genauer gesagt einen Zeiger und der war an der Uhr. Verdammisch, endlich geilen Platz gefunden, da mussten wir auch schon zurück um das Brot noch rechtzeitig für die Majestät zu backen. Um es kurz zu machen, der Abend wurde großartig! Aus diversen Ecken kam aus jedem Zimmer doch noch ein mehr oder weniger noch zuhause gebügeltes Hemd zum Vorschein. Mama lässt grüßen! Selbst in unseren kühnsten Träumen hätten wir uns nicht einen so entspannten Abend erdenken können. Es wurde viel gequatscht, viel gegessen und viel Wein getrunken. Schon relativ früh am Abend war ich mir relativ sicher mein größtes Ziel zu erreichen, ein Foto mit Sysselmann und der Kapitänsmütze, die schon immer und ewig bei uns im Zimmer rumliegt und eigentlich jemand aufziehen muss, wenn er große Scheiße erzählt hat, oder was deppes passiert ist. Und mein Traum wurde war, auch wenn ich mich ganz schön zusammenreißen musste, ihn nicht zu fragen, ob er den „Mökkermann-Hut“ (Scheiße-Mann-Hut, wie er bei uns genannt wird) sondern die „Kapitänsmütze“ anziehen könnte… Nie hätte ich gedacht, dass ein Politiker auch einfach so ein ganz cooler Mann sein könnte.

Sonntag hatten wir wieder ungemeines Glück mit dem Wetter. Eigentlich waren Sturm und ansteigende Temperatur gemeldet, der Sturm war mittags schon weg und wir konnten endlich einem ganzen Tag mit der Powder&Co KG entgegensehen. Glücklicherweise konnten wir wieder zwei Scooter bekommen, dass wir mehr als eine Abfahrt haben und der Oli nicht laufen musste. Und war der Schnee geil, muuuha! Eine „Geländefahrt“ nach der anderen im unverspurten Glück! Skifahren am Nordpol ist schon was besonders, besonders weil fürn Oli die Saison ja schon lange vorbei war. Meine wird so schnell nicht enden, haben seit Wochen noch um -10 Grad und da ist so schnell kein Ende in Sicht. Und sollte es wärmer werden, bleiben uns ja immer noch die Gletscher. Lässig auch, dass jede „Liftfahrt“ zum Ersatz für die nicht gemachte Scootertour wurde. Auch wenn wir nicht soooo viel gemacht haben, das Skifahren hat wieder rausgerissen.

Am späten Abend sind wir bei Sonnenuntergangsstimmung noch in die kleine Mine gegangen, in der ich schon in meinen ersten Tagen hier oben war. Ist schon ne ganze Weile her, sind wirklich schon dreieinhalb Monate vergangen? Die Mine kann von Longyearbyen aus gesehen werden und jeden Winter werden ein paar Glühbirnen installiert um die Miene zu beleuchten. Den Kindern wird dann erzählt, dass der Nikolaus dort oben wohnt und sie jetzt besonders brav sein müssen…
Das wars auch schon wieder, Oli musste sich erneut als Kämpfer beweisen, als er ins Flugzeug stieg, da ihn zuhause vielleicht 30 Grad wärmere Bedingungen empfangen, krass zuhause ist Sommer und hier hat sich noch nicht sooo viel getan, außer dass es jetzt halt hell ist rund um die Uhr…

Dienstag, 17. April 2007

Oster-Roadtrip in den Frühling

Was hab ich sie herbei gesehnt – die Osterferien!? Der Masterplan sah vor aufs Festland fliegen, Sweety küssen und angeln gehen in jedem Tropfen Meerwasser, der nicht gefroren ist…der Masterplan. Doch fast wäre es nicht dazu gekommen, da der Vogel unter normalen Umständen wahrscheinlich seinen Flug verpasst hätte, aber zum Glück bin ich ja am Nordpol und normal ist hier Einiges nicht. Zum Beispiel, dass es auf einer Insel mit nicht zusammenhängenden 40 km Straße zwei Taxiunternehmen gibt, aber dazu später…
Vor ein paar Wochen hatte Nico aus meinem Flur auch für die gleiche Nacht einen Flug gebucht. Ich wäre aber nie auf die Idee gekommen, dass von so einem kleinen Lufthafen in der gleichen Nacht zwei Flugzeuge los fliegen und dann auch noch fast zur gleichen Zeit. Sein Flug sollte um 5 gehen. Von SAS fährt vor jedem Flug ein Bus durch Longyearbyen um die Scharen an Leuten einzusammeln, die die kleine große Insel wieder verlassen wollen. Da stand ich nun ein bisschen müde um kurz nach drei auf der Straße der kleinen großen Insel und wartete auf einen Bus. Der kam aber nicht, dafür aber das ungute Gefühl in der Magengegend, dass man sich wohler fühlen würde, jetzt schon am Flughafen zu sein. Naja um es kurz zu machen, der Bus kam aber nicht mehr. Kurz nach halb vier haben wir dann ein Taxi gerufen, besser gesagt wir haben versucht eins zu bestellen. Die erschreckende Nachricht: Das Taxiunternehmen war soooo beschäftigt, dass bis nach vier kein Taxi mehr frei ist. Hoffentlich hat das Unternehmen wenigstens in der Nacht das Geschäft des Lebens gemacht… Als wir beim Busverein anriefen erfuhren wir, dass unser Plan in unserer Hütte schon ein bisserl älter ist und der Bus längst weg war. Na super, da steh ich nun. Jetzt kommt das zweite Taxiunternehmen ins Spiel: Sie sind zwar auch sehr beschäftigt, aber in 15 min könnten sie uns eins schicken. Die Rettung naht. Das ungute Gefühl in der Magengegend wird auch nicht besser, als sich zufällig herausstellt, dass Nico und ich gar nicht im gleichen Flugzeug sitzen und zu allem Überfluss meins auch noch um 4:40 h fliegt…klasse wir haben ja auch erst vier und der Flughafen ist noch weit weg… Um das ganze noch entspannender zu gestalten mussten wir auch noch zwei weitere Fahrgäste einsammeln, die beide auf ihre Art und Weise die Situation beinahe in eine Chillout-Lobby auf der Loveparade verwandelten. Der erste war rabenschwarz und wird sich wohl am nächsten Tag an nichts mehr erinnern, die zweite Person war eine Frau, die auf den für Spitzbergen alltäglichen Pfennigabsätzen eine Ewigkeit von der Haustür bis zum Taxi gebraucht hat. Mir hats schon in den Fingern gekribbelt, fast wär ich raus, die deppe Frau in den Kofferraum gestopft und zum Flughafen gedüst, aber ne – der Anstand verbietet es ja leider. Am Flughafen angekommen stelle ich mich dann ganz brav mit klopfendem Herzen in eine der vier Reihen, die offensichtlich alle nach Tromsö fliegen. Glück – geschafft. Dann betritt eine hektische kleine Frau um 1,55m die Abflughalle, die ohne weiteres in unser Wohnzimmer passen würde. Norwegische Wörter werden in alle Richtungen des Wohnzimmer-abflugshallendings gerufen. Von hinten grölt Nico „Stephan, it’s you!“. Ich? Was denn überhaupt? Die Frau hatte gerufen, ob denn zwischen all den Wartenden nicht doch noch einer nach Endstation Tromsö will. Jaaaaaaa, ich will da noch mit! Energisch zieht mich die kleine Frau durch all die Reihen, eine nicht vorhandene Gasse wird quasi durch all die rumstehenden Leute gedrückt. Am Schalter angekommen, soll ich alles zeigen. Was denn überhaup? Nachdem ich quasi alles bis auf Spitzbergen-Coop-Mitgliedskarte und Führerschein alles bei der Dame am Schalter gezeigt hab, fehlt nur noch eine große Kiste, in die ich meinen Wanderrucksack reinlegen darf. Na super, die Kisten stehen zwar nur am anderen Ende des Wohnzimmer, aber dazwischen sind eben noch die ganzen Leute und die Gasse hat sich bereits wieder geschlossen. Wieder ist es die kleine Frau, die mir aus der Patsche hilft und Kommandos gibt. Irgendwie findet eine dieser großen schwarzen Kisten den Weg über alle Köpfe hinweg zu meinem Schalter – Rucksack drauf, durchatmen - und schon hat mich die kleine Frau wieder am Jackenzipfel gepackt, weiter geht’s zum Handgepäck. Die letzte Hürde wird auch noch genommen und ich mach mich auf den Weg, raus aus dem Wohnzimmer in den Vorgarten, wo mein Flugzeug steht. Irgendwie will ich mich bei der kleinen Frau bedanken, aber die ist schon wieder weg, auf der Suche nach einem weiteren Mann, den sie tief beeindrucken kann! Ich sitze im Flieger, mein Herz pocht, ich bin fix und foxy, auf besondre Weise glücklich – den Abflug erleb ich schon nicht mehr.
In Tromsö werden alle Fluggäste herzlich von Freunden oder ähnlichem abgeholt, nur ich stehe etwas hilflos mit meinem Gepäck durch die Gegend. Irgendwie hatte ich schon gehofft die Joeline irgendwo sehen zu können, wenn sie schon fünf Stunden auf mich warten musste…naja dann mach ich mich eben auf die Suche. Der Flughafen ist zwar schon deutlich größer, aber immer noch deutlich kleiner als der High-Society-Flughafen Hahn. Als ich in das andere der beiden Gates gehe, sitz da einsam und allein eine müde Frau, die mich entgeistert anschaut als ob ich vom Himmel gefallen wäre. Endlich!


Ab geht’s nach Tromsö, wo wir stolzer Erstbesitzer einer runtergesetzten Teflonpfanne und den billigsten 2 Isomatten in ganz Tromsö werden. Leider konnten wir keinen kleinsten gemeinsamen Teiler finden bei der Frage, ob -5° C jetzt kalt oder warm, Winter oder Frühling ist. Wieder zurück am Flughafen nehmen wir stolz unser Mietwagenmonster in Empfang: Aus dem erwarteten Ford Ka ist über Nacht ein babyblauer Hyundai Getz geworden. Kein Eurofighter, aber ich stell mal keine Ansprüche. Hauptsache vier Räder und unser Zeug passt rein. Irgendwie hat sich meine Wahrnehmung in Spitzbergen doch ein wenig verschoben: Während ich das Gefühl habe, dass relativ viel Verkehr ist, sieht das genormte weibliche Stadtauge alle Viertelstunde mal ein Auto. Der Weg zur ersten Hütte wird zur Qual, weil wir beide die Nacht nicht richtig geschlafen haben. Dafür ist das Ankommen umso schöner. Weil wir quasi alle Einkäufe nur so ins Auto gelegt / geschmissen haben, müssen wir das ganze Auto ausladen, für nur eine Nacht…

Auf geht’s Richtung Norden, jedoch werden schon 100 km auf der kleinen Küstenstraße, die sich autobahnmäßig E6 nennt zum Gegurke, auch weil die Straße schneebedeckt ist. Endlich kann ich auch wieder angeln! An einer kleinen Hafenanlage, dessen Tourismusbüro statt den üblichen Öffnungszeiten „ab Juni geöffnet“ hat, wird mein dem Regen Trotzen nach kurzer Zeit schon mit dem ersten Dorsch belohnt. Nichts riesiges, aber gefreut hats mich trotzdem und ich weiß, dass er mir heute Abend nochmal Freude bringen wird, wenn er in der Pfanne duftet. Es gibt in fast jedem kleinen größeren Kaff jemanden, der eine private Hütte vermietet, oder aber dessen Campingplatz kleinen Blockhütten hat. Das Wetter ist wirklich alles andere als einladend, ständig Regen, der in Schnee übergeht, Wind, der in Sturm übergeht und ein Himmel der fast nur zwischen grau und ganz grau schwankt. So bleibt das Zelt erstmal im Kofferraum…und der Dorsch findet seine letzte Ruhestätte in einer richtigen Pfanne und nicht im Trangia.

Kurioses bieten die Straßen oben im Norden: In Österreich, der Schweiz und wohl allen anderen Ländern mit ein paar Bergen zuviel für Straßen werden Tunnel mittlerweile aus Sicherheitsgründen ja mit zwei separaten Röhren gebaut. Hier oben denkt man da ein wenig praktischer und baut den Tunnel gemessen am Verkehrsaufkommen sinnvollerweise nur einspurig, auch wenn er in beide Richtungen befahrbar ist. Und das klappt! Die schlauen Norweger machen am Tunneleingang einfach ein Warnschild mit 50 und langsam fahren ran, schicken ein Gebet hinterher. Um nicht alles dem Zufall in diesem fast 5 km langen Tunnel zu überlassen, gibt es in mehr oder weniger unregelmäßigen Abständen unbeleuchtete Ausweichbuchten. Wer bei Gegenverkehr wann anhält bzw. wieder im dämmrigen Tunnel zurücksetzen muss ist situationsabhängig. Aber jede Münze hat bekanntlich zwei Seiten und so haben wir am Ende auf dem Rückweg nach Tromsö auch einen Tunnel mit Kreisverkehr befahren dürfen. Ob die Norweger mit diesem Gebilde ihr schlechtes Gewissen ob der Löcher in den nördlichen Bergen beruhigen wollten bleibt unklar.

Fast wäre unser Roadtrip ein bisschen weiter nördlich geworden als geplant. Das lag aber weniger an meiner übernatürlichen Fähigkeit mich zu verfahren, sondern vielmehr am norwegischen Talent vollkommen missverständliche Fährpläne als schlechte Kopie hinter eine verkratzte Plastikscheibe an einem verlassenen Fährhaus anzubringen. Jedenfalls haben wir uns schon gewundert, warum wenn um vier die Fähre abfahren soll, niemand außer uns da ist, die Fähre mit geöffnetem Bug da steht, auf dem Schiff sich aber niemand blicken lässt. 20 min später, es waren mittlerweile ein paar Autos hinter uns, machte endlich jemand auf dem Schiff Anstalten, dass überhaupt heute hier nochmal was passiert. Wirklich gewundert hab ich mich aber erst, als der gute Mann für eine relativ kurze Überfahrt 30 Euro haben wollte und mehr oder weniger aus einer Laune heraus, schaute ich aufs Ticket: Warum steht da jetzt ein anderer Ort drauf? Mh, Karte raus – aaaaaaaaaaaaaah – die Fähre geht zu einer Miniinsel mit wahrscheinlich einem Bauernhof, zwei Hühnern und einem lahmen Pferd. Raus ausm Auto und mit dem netten norwegischen Ticketverkäufer geredet. Der war wohl von meiner Fuchtelei auf der Karte ein wenig überfordert und der nächste Mann wurde gerufen. Mittlerweile waren aber auch schon die nachfolgenden Autos auf die Fähre gefahren und die mussten jetzt erstmal Platz machen, denn ich wollte wirklich nicht auf diese Insel. Zum Glück gab es abends noch eine Fähre und nach einer kurzen Einführung in norwegische Fährpläne konnte ich die Abfahrtszeit auch nachvollziehen. Was macht man also einen halben Tag in einer ausgestorben wirkenden Hafenstadt, wo die Tankstelle geschlossen hat und der Tank fast leer ist? Angeln gehen! Vor der Fähre hatte ich schon einen leckeren fetten Dorsch erwischt. Im Hafenbecken selbst sahen wir riesige Köhler-Schwärme (Seelachs). Die jungen Spunde gingen wirklich auf alles was man irgendwie im Wasser auf und ab bewegt hat, was aber den Fangerfolg der tapferen Joeline nicht schmälern soll. Wäre da nicht die Geschichte mit dem Ausnehmen… Der Fisch könnte ja der Einfachheit halber schon filetiert ausm Wasser kommen.

Auf der richtigen (Halb-)Insel angekommen, nehmen die Leute uns schon in Empfang. Es passiert wohl nicht soviel, wenn nicht die Fähre ankommt…Zuerst will ich fragen, ob ich die Schuhe ausziehen soll, als wir ein große Holzhütte betreten. Doch plötzlich wird mir klar, warte mal, dass ist ja gar nicht ihre Hütte, das ist unsere…mh, wir haben aber die kleinste Hütte gemietet?! Aufklärung kommt von der Chefin des Hauses, die uns keine 10 min später frische Eier aus dem verschneiten Hühnerstall und ne kleine Bottle Rotwein vorbei bringt: Unsere gemietete Hütte liegt mehr oder weniger im Schnee begraben und da sie sich so gefreut haben, dass Leute kommen, haben sie uns einfach die Neue große gegeben. Highlight der Hütte ist ein richtiger Bollerofen. Es gibt wirklich nichts Schöneres und vor Allem nichts Gemütlicheres als ein wärmender Bollerofen, eine heiße Schokolade und der Geruch von verbrennendem Holz, wenn man aus einem kleinen Schneesturm nach Hause kommt! Irgendwie ist alles wunderschön außer dem Wetter, das Zelt liegt immer noch mehr oder weniger unangefasst im Kofferraum. Da die Hütte so schön ist, die Leute super nett sind und uns mit Schneeschuhen und Schlitten manche Stunde versüßen, die Umgebung auch super lecker aussieht, blieben wir ein bisschen länger als wir eigentlich vorhatten. Wer sich dieses schöne Stückchen Erde mal genauer angucken will: http://www.arcticnuvsvaag.no/. Nicht weit von unserer schönen Behausung sind ein paar Kutteranlegeplätze, wo ich trotz herber Materialverluste täglich um ein Abendessen recht erfolgreich kämpfe. So richtig frische Dorschfilets sind schon eine feine Sache.

Leider vergehen die schönsten Tage immer am schnellsten. So müssen wir uns schweren Herzens zurück nach Tromsö aufmachen, wo wir über Ostern auf dem Campingplatz eine Minihütte gebucht haben. Schon bitter zu sehen, wie groß doch der Unterschied zwischen Hütten von Leuten sind, die einfach Spaß dran haben und gerne auch was von den Besuchern wissen möchten, die einem die Umgebung ans Herz legen und Leuten, denen nichts mit dem Platz eingefallen ist und einfach ne Hütte hingestellt haben. Ähnlich armselig wirkt auch die Hütte auf einem Campingplatz – lieblos. In Tromsö müssen wir erschreckt feststellen, dass die ganze Stadt mit allem was dazu gehört in den Osterferien ist und wirklich spannend ist eine Fußgängerzone mit geschlossenen Geschäften, Kaffees und Pubs auch nicht. Mit einer Gondel kann man auf einen Berg oberhalb der Stadt fahren und den herrlichen Ausblick genießen, aber irgendwie zieht es mich auch wieder zurück auf diese kleine große Insel; wo man einfach von einem ähnlichen Berg auf ein Dutzend Häuser guckt, das Meer schimmert und man sich die Ski nur noch anschnallen muss.

Auf dem Campingplatz in Tromsö haben wir außer dem Zelt alle für die Tage sinnlosen Sachen benutzen können: Am letzten Tag wurde die Pfanne erstbenutzt, die 10 l Wasser in Kanistern wurden als Ersatz für die fehlende Wasserleitung genutzt, die Isomatte als Schutz für meine Angel zweckentfremdet und der Trangia auf die Miniherdplatte als Teepott gestellt. Ein wenig peinlich musste ich nach 10 Tagen feststellen, dass das Zelt immer noch genauso in der Verpackung ist wie zuvor und wir keinen einzigen Tropfen Spiritus für den Trangia gebraucht haben. Obwohl das Wetter alles andere als freundlich war, kamen bei mir Frühlingsgefühle auf. Wenig später nach einem ausgibigem Pizzaessen am Hafen sind wir auch schon wieder am Flughafen. So viel ist passiert, so viele schöne und lustige Sachen haben wir erlebt und es kommt mir erst wie 9 min vor, als ich eine Frau einsam in dem kleinen Gate sitzen sah…