Dienstag, 16. Juni 2009

Ein Leben wie ein junger Hund


Gemäß der österreichischen Mundart ‘A Lebn wiar a junga Hund’, machten sich Welpe E. und Welpe V. auf, die Nacht der Hektik Longyearbyens zu entfliehen. Nach der traumhaften halben Nacht an Lars Hjerta wollten wir auf dem darunter liegenden Larsbreen unser Zelt ‚Isfjell 4’ aufbauen. Nach etwas Suchen fanden wir im Student Equipment auch noch passende Zeltstangen und für mich noch ne Isomatte. Ich wollte sie gleich noch probeweise aufblasen, war dann doch zu faul, was sich natürlich später wieder rächen sollte.


Für Samstagabend und zumindest Sonntag bis zum Nachmittag hatte das Orakel grandioses Wetter prophezeit und es sollte sich bewahrheiten. Kaum eine Wolke war am Himmel zu sehen als wir uns vollbepackt gegen acht auf den Weg machten. Leider muss hier unten im Tal der Schnee heftigen Tribut an den Frühling zahlen, was dazu führt, dass der Schmelzwasserbach immer größer wird und zumindest der Teil bis in die Moräne recht nervig ist mit abschnallen und wieder anschnallen, irgendwie über den Bach kommen und wieder von vorne. Doch darüber ist immer noch geschlossene Schneedecke und deshalb werde ich hier auch irgendwo die Tage noch eine Box mit meinen Skisachen für die Feldarbeit deponieren. Schließlich will ich ja noch einen Monat zu meinen Wechten kommen und ohne Ski versinkt man einfach hoffnungslos im Sulz. Das heißt auch, dass dieses Jahr die Skisaison bis in den Juli ausgedehnt werden wird…
Noch bevor wir unser Lager aufgeschlagen hatten, machten wir den ersten Abstecher zum Trollstein und zum ersten Mal konnte ich meinen inneren Schweinehund überreden auf den blöden Steinwürfel zu klettern – wäre das auch abgehakt. Ich weiß auch nicht was das manchmal ist, aber irgendwas sagt mir dann ‚Mach das besser net’, auch wenn’s überhaupt keine große Sache ist…. Als wir später in der Nacht bzw. am frühen Morgen wieder oben waren, gestaltete sich die Sache zwischen mir und dem Würfel schon wesentlich entspannter. Doch ob ich jemals wirklich klettern werde, bezweifle ich doch mal stark…


Es ist so geil, wie konstanter Sonnenschein, obwohl man es ja jetzt langsam gewöhnt ist, seine innere Uhr vollkommen verrückt spielen lässt. Nach dem ersten Trollsteinen-Trip, Zeltaufbau und der Konstruktion von Tisch und Sitzbank war es schon zwei Uhr, was ich nie nie nie geschätzt hatte, eher so elf oder so.


Vor dem Abendessen konnte ich durch einen recht riskanten Selbstversuch verstehen, warum auf diesen Instant-Cappuccino Tütchen immer drauf steht ‚Mit heißen Wasser übergießen’: Bei kaltem, halb am frierendem Wasser löst sich das olle Pulver nicht richtig auf! Aber der Gedanke an Glacier-Ice-Coffee machte die meisten Geschmacksmakel wieder wett.
Nach dem Abendessen, was eher die Bezeichnung Nachtmahl verdient hätte, machten wir uns zum zweiten Mal gen Trollsteinen auf. Nachdem wir beim ersten Mal noch weiter Richtung Lars Hjerta übern den Rücken gelatscht waren, um über die kleinen Wechten zu droppen, gings jetzt eher gerade runter zum Zelt.



Aus unerfindlichen Gründen bekam ich Lust Telemark mal zu versuchen, was sich aber schwieriger gestaltete als gedacht. Insgeheim hatte ich noch auf ‚Naturtalent’ oder so gehofft, doch leider musste ich der bitteren Wahrheit ins Gesicht schauen. Is halt wie Skifahren - noch kein Meister vom Himmel gefallen, aber ich glaub, ich werde das nochmal versuchen.


Kaum hatte ich zurück am Zelt meine geliehene Isomatte aus ihrer Hülle gezogen, sah ich, was ich irgendwie schon wusste: ‚Sponsort by Simon Løvås, slightly leaking, breath in to inflate’… na klasse! Zumindest hielt die olle Matte die Luft an, bis ich mich in den Schlaf gewälzt hatte. Das Aufwachen war dann eher kühl am Rücken und auch irgendwie härter…irgendwie so, als ob man ohne Matte auf Schnee liegt.


Am Morgen, der nach der Nacht eher Mittag war, erfuhren wir, warum die Chinesen allgemein als schlaues Volk geachtet werden: In jedem Chinarestaurant sitzt man an einem runden Tisch und die meisten von uns denken wohl, es habe was mit dem Essen auf diesen Drehscheiben zu tun. Nein, weit gefehlt, denn die Chinesen sind noch viel schlauer als wir bisher dachten. Die runden Tische mit den Stühlen rundherum sind nämlich ursprünglich für die Arktis sowie Antarktis konstruier worden. Da sich die Arktis aber aus China und vor allem aus den Chinarestaurants schon verzogen hat, versteht das heute kaum noch jemand. Der Grund für die so genannten Rundtische liegt nämlich in dem urmenschlichen Bestreben, wenn die Sonne scheint auch sein Gesicht in jene Richtung recken zu wollen. Da im Sommer in der Arktis die Sonne rund um die Uhr aus allen möglichen Richtungen strahlt, ist natürlich ein eckiger Tisch nicht vorteilhaft. Diese Erfahrung mussten wir am nächsten Morgen machen, wo wir in unserer nächtlichen Bank-Tisch-Konstruktion die Sonne nämlich jetzt im Nacken hatten. Aber was man nicht im Kopf hat, haben wir ja in den Armen und so wurde aus Tisch Bank und aus Bank Tisch – so konnten wir wieder glücklich in die Sonne schauen. Lediglich bei mehr als einer Übernachtung stellt dieses System ein derbes Problem da, weil man ja immer tiefer buddelt und irgendwann einfach in einem Eisloch ohne Sonne sitzt. Also merke: dann gleich auf das chinesische Rundtisch-Prinzip setzen und rund um die Uhr ohne weitere Umbauarbeiten die Sonne im Gesicht genießen.


Was natürlich an einem zünftigen Frühstück (auch wenn es schon Nachmittag ist) nicht fehlen darf, ist ein Sirup Brot! Da die Wailt-Huga Tour aber gezeigt hat, dass Sirup mit der Kälte dickflüssiger wird und dickflüssiger Sirup nur schwer aus der Squeeze-Flasche zu bekommen ist, kam der Sirup zu einer luxuriösen Übernachtung im fetten Daunenschalfsack. Aus Dankbarkeit fand er am folgenden Morgen dann den Weg fast alleine zum Brot – was ein Genuss! Das zweite Brötchen machte dann auch die Enttäuschung über den Instant-Cappucino wieder wett, der trotz diesmal heißem Wasser leider immer noch nicht viel besser schmeckte. Is halt doch ein treuer Gefährte der Sirup…

Donnerstag, 11. Juni 2009

Der Inbegriff vom Inbegriff


Googelt man ‘Inbegriff’ erreicht einen an erster Stelle die Definition aus dem Wörterbuch der philosophischen Begriffe von Rudolf Eisler. Für ihn heißt Inbegriff ein in einem einheitlichen Denkakte, in einer logischen Synthese Zusammengefasstes, Ganzes. Aha…jetzt könnte man fast schon wieder anfangen diesen gesamten Satz dort einzugeben, da er wahrscheinlich niemandem wirklich erklärt hat, was ein Inbegriff wirklich ist noch was er bedeutet. Für alle die nicht so firm im Umgang mit philosophischen Begriffen sind, sei dies vereinfacht erklärt als ‚Einfach was Geiles’. Dies kann je nach Umgebung und Zeitpunkt ein Strand, eine Palme, ein Beachvolleyball, ein Nordlicht, aber auch ne nette Frau im Bikini sein. Nicht zu vergessen sei natürlich das kühle Beck’s bzw. das frisch gezapfte Weizenbier, wobei man schon beim Inbegriff vom Inbegriff gelandet ist – also die Steigerung des Maximalens, der Mega-Superlativ.



In der ausgewählten Liste der Inbegriffe von den Inbegriffen steht ohne Zweifel auch der Powderhang. Der Powderhang stellt in diesem Zusammenhang also die Steigerung des Inbegriffs ‚Skifahren’ da und ist wohl für all diejenigen, die noch nie wirklich auf Skiern gestanden sind, nur schwer (wenn überhaupt) nachvollziehbar.

Aus mysteriösen Gründen hat es hier die Tage nochmal zwei Abende hintereinander geschneit, was auch hier im Juni nicht immer auf der Tagesordnung steht. Dazu kam, dass des ziemlich windstill war, also der Schnee auch irgendwo liegen blieb. Vielleicht wollte uns Petrus auch nur was zurückgeben, nachdem er diesen Winter den Gerüchten zur Folge in den Alpen ja wohl recht aktiv gewesen sein soll. Jedenfalls wurden wir nochmal mit Neuschnee bedacht, obwohl ich mich eigentlich schon mit der Sulzschneezeit angefreundet hatte.



Dienstag war so ein krasser Tag: Vormittags habe ich nach etlichen erfolgreichen Probeläufen meine Kamerabox wieder hoch zu den Wechten gebracht. Auch wenn ich dank prall gefülltem Rucksack den Aufstieg ein wenig verfluchte, besonders weil es auch ma wieder richtig heiß war, freute ich mich schon auf die Abfahrt; Rucksack wieder leer und Schnee auf dem Larsbreen schien auch fein zu sein. Es ist wie die direkte Lohnauszahlung nach der Arbeit – hochdappen und oben Veränderungen checken und dann als Dank oder Lohn die Abfahrt. Trotzdem war ich ein wenig geplättet (trotz Lohn-Skifahrens) als ich wieder in Nybyen ankam. Erstmal ein paar Nudeln reinfahren und die Bilder von den Wechten anschauen. Für abends hatte ich mich schon mit Max gedated. Obwohl ich insgesamt jetzt bald ein Jahr auf Spitzbergen bin, war ich noch nie auf Lars Hjerta, was wohl daran liegt, dass man, um erstmal an den Berg selbst zu kommen, zuvor über den ganzen relativ flachen Larsbreen laufen muss.


Das Wetter unterstützte voll und ganz unser Vorhaben und zu unsere vollsten Zufriedenheit wurde der Schnee einfach mit jedem Schritt mehr und vor allem besser. Im kleinen Kessel von Lars Hjerta lagen fast 15 cm trockener weicher Powder – es war also angerichtet für uns! Trotz des langen Weges und dem kontinuierlichen bergauf mussten wir bevor wir wirklich auf dem Gipfel waren, den kurzen Hang unterhalb schon mal Probe fahren – was ein Genuss. Powder in alle Richtungen stiebend und drunter eine griffige Unterlage. Da es am Ende ja an nichts mangeln soll, hatten wir uns beide mit unseren lieb gewonnenen Kameras bewaffnet, woraus sich eine wahre Fotosession entwickelte. Erstmal bekommt man natürlich das ein oder andere fette Bild, zudem kann man aber auch seine Skitechnik ein wenig beobachten – what’s hot, what’s not… Ich denk ich sollte mich nach eingehender Technikstudie um eine 80er Jethose bemühen und vielleicht irgendwie an meinem Bartwuchs zwecks Schnauzer arbeiten. Papas Neonskijacke hängt bestimmt noch im legendären Fassnachtsschrank im Hause Vogel. All den ‚modernen Schnick-Schnack’ sollte ich dann Max überlassen, der trotz Telemarkbindung fett carven kann.



Ein paar Tage konzentriert in irgendeinem Skigebiet mit Liften machen aus ihm wohl nen richtigen Telemarker und vielleicht schaff ich es auch noch irgendwann im 21. Jahrhundert skitechnisch anzukommen. Ein dritter und nicht zu vernachlässigender Aspekt ist natürlich, dass man bei so einer Masse an Bilder später recht gut sieht, was besser auf Fotos wirkt, wovon auch irgendwann mal wieder der Ole profitiert.



Nachdem wir also den kurzen Hang genossen hatten, Felle wieder drauf und hoch zum Gipfel. Auch hier war die Sonne unser Freund und wir genossen trotz eines importierten schottischen Schokoriegels mit sehr merkwürdigem Geschmack das Leben. Schon irgendwie surreal, da stehst du nun im Juni mit Skiern auf einem Gipfel und genießt die Sonne kurz vor Mitternacht. In meinem Ohr sind immer noch die Worte meiner Mama vor zwei Jahren, die nachdem sie aus der ‚Eishöhle’ kam sagte, dass man nach Spitzbergen fürs wohl Leben verdorben sei…



Doch keine Zeit sentimental zu werden, jetzt musste ja schließlich der Lohn für die ganzen Strapazen eingefahren werden – was ein Traumhang! Die Kombination aus Gefälle, Powderauflage und griffigem Untergrund machten es zum puren Genuss. Alles was der männliche Körper so an Glückshormonen und so was ausstoßen kann, wurde ganz sicher ausgestoßen. Adrenalin, Endorphine & Co ließen einen vor Glück schreien und die Welt stand einen Moment ganz still.



Nach einem ‚Ich weiß zwar nicht, was du so vorhast, aber ich latsch da nochmal hoch’ blieb mir nichts anderes übrig, als nochmal aufzufellen und mich an die Fersen von Max zu hängen. Ich schiebs jetzt einfach mal auf mein anstrengendes Vormittagsprogramm, aber langsam musste ich meinen Oberschenkeln beim nochmaligen Aufstieg Tribut zollen. Zum Glück hatte man den Lohnscheck ja ständig vor Augen. Ich kam mir vor wie der deppe Esel, dem man die Karotte an einer Angel vors Maul hängt…aber alles was jetzt kam, war freiwillige Zugabe und die haben wir nochmal voll ausgekostet.



Noch high von all den Ausstoß-Cocktails glitten wir nach dem Traumhang zurück über den Larsbreen gen Nybyen. Nochmal ein wenig Technikschule und fertig war wohl der beste Skitag in Spitzbergen dieses Jahr. Noch hab ich ja ein bisserl mehr als einen Monat, mal sehen was noch alles kommt!

Googelt man nach ‚Rudolf Eisler’ und ‚skifahren’ so erfährt man zumindest, dass der gude Mann Philosoph und seines Zeichens Österreicher war. Es liegt also nahe, dass auch er Ski gefahren ist. Vielleicht hat man sich früher in seinen Tagen etwas umständlicher ausgedrückt, aber zumindest meinte er mit seinem fast unverständlichen Satz über den Inbegriff wohl genau das Richtige.



Mehr Bilder...


Da mittlerweile aus der Affäre mit meiner Kamera eine recht solide Beziehung geworden ist, lade ich jetzt Bilderalben in Flickr.de hoch. Einfach unter Personen nach mir suchen und da sind zumindest schon mal in paar aus Schottland. Mehr von der kalten Insel kommt bald...

Sonntag, 7. Juni 2009

Ein norwegischer Abendspaziergang


Während in anderen Teilen der Welt, wo es abends dunkel wird, es schon Kurze-Hose-Wetter ist und der gemeine Bürger in den Abendstunden vielleicht noch einen kleinen Spaziergang um den Block macht, sieht die Sache hier ein wenig anders aus: Abends ists genauso hell wie tagsüber und obwohl es zwar schon (verhältnismäßig) richtig warm geworden ist, freut man sich oben trotzdem noch über seine Daunenjacke im Rucksack. Und da in den Bergen immer noch massig Schnee liegt, kann man seinen kleinen Spaziergang auch durch eine kleine Skitour ersetzten – ein wenig Bewegung schadet ja nie, besonders wenn man den halben Tag vorm PC sitzt. Über zuviel vor dem PC sitzen kann ich mich die letzten Tage allerdings nicht beschweren, da zu aller Abwechslung mal wieder meine Kamera auf Gruvefjellet eine kleine Meinungsverschiedenheit mit den von mir vorgeschlagenen Arbeitsleistungen hatte. Da der Vogel aber kein Technik-Fritz ist und es auch anscheinend keinen Technik-Fritzen auf der Insel gibt, blieb mir nichts anderes übrig, als selber automatische Kamera zu spielen. Zumindest kann ich dann sicher sein, dass ich auch Bilder hab. Grundsätzlich ist dieser Typ von ‚automatischer Kamera’ in manchen Situationen sogar im Vorteil, er ist relativ kälteunempfindlich, arbeitet zuverlässig zu den gewünschten Tages- und Nachtzeiten, die Energieversorgung verläuft über Sirup und Kaffee am Morgen sowie Pasta am Abend und – falls gewünscht – können Sonderdetailaufnahmen aus verschiedenen Perspektiven geordert werden. Eigentlich nur Vorteile…


Gestern jedoch hatte ich nach all den Quälereien die Faxen dicke und habe nach vergeblichem gutem Zureden einfach die ganze Kamerabox, samt Batterie und Solarplatte eingepackt und nach unten gebracht. Das nach unten bringen wurde durch 3 cm Neuschnee (im Juni!!!) ein wenig versüßt. Seit dem sieht mein Zimmer aus wie ein Bombenbaukasten…


Über den Schnee kann man sich im Moment eigentlich überhaupt nicht beschweren – klar dass Powder ne 10 ist, muss nicht gesagt werden, aber wenn man keine 10 haben kann, muss Mann sich halt mit dem zufrieden geben, was der Markt (der Berg, Anmerkung der Redaktion) hergibt. So war ich auch ein paar Mal abends, wenn der gemeine Deutsche die Heute-Nachrichten schaut und die Hauspuschen an hat, nochmal zu einem kleinen Abendspaziergang zwecks Skifahrens am Larsbreen. Ist irgendwie relativ idyllisch nach einem langen Tag nochmal ein wenig die Beine zu bewegen und in der relativen Stille nach oben zu steigen. Wenn dann noch das ein oder andere schöne Bildchen gelingt, kann das als Zugabe gerne angenommen werden.


Das einzige Problem kann darin bestehen, nicht mit der ersten Müdigkeit nach der Tour ins Bettchen zu gehen. Hat man diese überwunden, noch ne kleine Großigkeit gegessen, vergisst vielleicht auch noch den Vorhang zu schließen und plötzlich ists dann zwei Uhr, die Sonne scheint noch ins Zimmer und das Bett ist irgendwie gar nicht mehr so anziehend. Das Problem geht aber am nächsten Morgen weiter: Früher wusste ich noch nicht, dass man seinen Handywecker auf wiederholen stellen kann – er also in fünf Minuten wieder klingelt. Der Wecker klingelt – ausschalten – Füße ausm Bett: aufstehen! Ein Mann wird durch diese unnötige Sache so verweichlicht und hat er sich erstmal dran gewöhnt / gewöhnen lassen, ist der Aufstehen-Willen am frühen Morgen so schnell wieder gebrochen. Mann findet sich dann unter Umständen nach einer Stunde erfolgreichem auf wiederholen-drückens noch immer ziemlich gebatscht im Bettchen liegend wieder. Naja zumindest ist Mann wieder Ski gefahren – und hat auf die Heute Nachrichten verzichtet…

Donnerstag, 4. Juni 2009

Die böse schottische Wetterfee

Die heutige Gute-Nacht-Geschichte handelt von einer Wetterfee, von einer bösen schottischen Wetterfee. Diese hatte sich nämlich gedacht, sich an mir rächen zu müssen - dafür dass ich schon längere Zeit nicht mehr in Schottland war und Norwegen in der Stephan-wählt sein-Lieblingsland-Liga vorbeigezogen ist. Als ich ein paar Tage vor der Schottland-Exkursion nach irgendeinem Wetterbericht gesucht hab, erkannte die böse Fee ihre Chance und erzählte mir was von 5-8°C, n bisserl Wind, n bisserl Regen – ziemlich schottisch also. Vielleicht ein bisschen geprägt von dem spitzbergischen Sicherheitsdenken packte ich also relativ warme Sachen ein – sogar die dünne Daunenjacke hatte ich kurz in der Hand…mich aber doch dagegen entschieden. Die Daunenjacke wäre wahrscheinlich genauso überflüssig gewesen, wie dicke Handschuhe im Strandurlaub. Um drei Uhr morgens geht mein Shuttlebus zum örtlichen Flughafen – ja es ist natürlich der gleiche Bus und auch der gleiche Fahrer, der mich auch am 17. Mai gefahren hat und der eigentlich immer Bus fährt. Kurz nach acht bin ich in Oslo und plötzlich merke ich die Hitze. Nicht dass hier in Spitzbergen einem nicht auch warm werden kann – aber das ist doch meistens vom Berghochdappen oder so. Jetzt ist es aber einfach nur heiß, man steht da und es ist heiß.



Nachdem ich meine riesige Tasche und den Rucksack von der Bushaltestelle hoch zu meinem Zimmer gewuchtet habe, merke ich, dass es nicht nur heiß, sondern sogar sehr heiß ist. Flog ich noch bei -5°C und Schneegestöber los, sind es jetzt mal gute 25°C wärmer, ääh heißer. Voller Schrecken denke ich an all die schönen, molligen, wollenen Longsleaves in meiner Tasche…und kann in all meinen in Oslo verblieben Sachen keine kurze Hose mehr finden! Das ist halt der Vorteil von Unorganisiertheit – hätte ich meine in Oslo verbleibenden Sachen damals alleine zusammen gepackt – es würde sich ganz sicher noch eine kurze Hose finden lassen. So hat mir Joeline aber geholfen und ich muss die Suppe jetzt auslöffeln. Zum Glück finde ich aber noch 3 dünne T-shirts. Am frühen Nachmittag mache ich mich nach einem fetten Salat und einer Schachtel Erdbeeren (Geschmacksorgasmus) wieder zurück zum Flughafen, wo ich die anderen der Exkursion treffe und wir nach Schottland aufbrechen. Irgendwie bin ich ganz schön müde, aber zurück zur bösen Fetterfee: Es sollte sich herausstellen, dass genau die Woche quasi den Sommeranfang in Schottland darstellte und bei uns 25°C gemessen wurden (Global Warming???), womit wir der wärmste Punkt in Britannien waren. Nicht nur, dass mir eh warm war von den Spitzbergen-Temperaturen – jetzt hatte ich ja auch noch ne schöne lange Hose an…

Wenn wir schon bei der Hose sind, muss ich was Kleines beichten. Als ich dieses High-End Produkt aus Eta-Proof im Januar erstand, war mir bewusst, dass die Hose eher karottig geschnitten ist – draußen ists aber egal wie man aussieht und die Hos ist fett. Naja, seit Januar bin ich wohl recht viel Ski gefahren und jetzt gleicht die Hose im Wadenbereich eher einer Leggins…



So schön Schottland als Land auch sein mag, bei den Frauen wurde da wohl meistens recht stark eingespart. Deshalb wurde auch (zu Recht) die international von Männern genutzte Bewertungsskala von 1 – 10 ausgesetzt und durch eine angepasste schottische ersetzt. Doch wir sollten Glück haben und in genau unserer Woche sollten einige der schönsten Frauen im Lande sein – was aber wohl eher an den mit uns gekommenen norwegischen Studentinnen lag…



Eine weitere Wohltat war auch das schottische Bier – Biergenuss in Reinform und das sogar ganz ohne Alkoholkarte. Nach all dem ollen norwegischen Kopfwehbier mal eine leckere Abwechslung. Bei einer Distillery-Besichtigung habe ich einen weiteren Versuch unternommen zu verstehen, was Leute an Whisky finden. Irgendwie versteh ich das nicht – da erklärt die schlaue Testerfrau noch genau wie du trinken sollst und wo du was auch immer schmecken sollst, aber anscheinend ist der Vogel einfach nicht dafür gemacht oder sogar gebaut. Während andere ‚Vanille’ oder ‚Torf’ schmeckten, hatte ich nur mit einem Hustenanfall zu kämpfen – ne, also es geht einfach nichts übern ein Weizenbier: Das kann man einfach nur so trinken und auch gleichzeitig genießen – auf Torf und Vanille kann ich dann gerne verzichten!



Kommen wir mal zur Exkursion: Aus der ‚Wie macht man Fieldwork’-Exkursion hatten unsere schlauen Profs mal fix ne Geomorphologie-Exkursion gemacht und das ziemlich beeindruckend. Die stehen einfach in einem Tal, in dem sie vorher noch nie waren und können anhand von einem profunden Vorwissen und geschultem Auge in der Landschaft die Geschichte lesen, wie in einem Buch. Während wir mehr oder weniger den Berg sahen, sahen sie die Gletscher förmlich übers Land rutschen und diese Landschaft formen. Besonders cool wars natürlich auch an einige Stellen zu kommen, die ich vorher schon mal besucht hatte. Jetzt noch erfahren zu dürfen was hier eigentlich geschehen ist, damit dies alles wirklich so schön aussieht, war fett.



Was ich mir aber trotz aller Exkursion nicht nehmen lassen wollte, war dem Ben Nevis nochmal einen Besuch abzustatten. So bin ich an dem Abend an dem wir Stopp in Fort Williams machten, mit noch drei Jungs vor dem obligatorischen 3 Gänge Menü per Taxi zum Einstieg gedüst, in rekordverdächtigem Tempo den Gipfel erklommen und wieder zurück. Essen verpasst – Gipfel gewonnen. Ein kleiner Traum zum dritten Mal auf dem höchsten Berg Großbritanniens zu sein, wenn er auch zumindest über den gewählten Touristenweg nicht besonders anspruchsvoll sein mag. Oben auf dem Gipfelplateau lag auch noch richtig viel Schnee, ein bisschen anfassen – Spitzbergenfeeling, welch eine Genugtuung nach all dem Schwitzen während der ganzen Tage.


Leider entwickelt sich der Weg durch all die fälligen Baumaßnahmen zur Erosionskontrolle wegen der ganzen Touries immer mehr zur Autobahn – das nächste Mal muss also was andres her, aber dafür sollte ich irgendwie klettern können…


Für mich hatte die Exkursion noch ein kleines Leckerchen, denn wir konnten an zwei Stellen von Lawinen verursachte impact features begutachten. Durch immer wiederkehrende Lawinenabgänge wird im Bereich in dem der Hang deutlich an Steigung verliert immer weiter der Boden aberodiert, so dass sich eine Mulde formt. Das erodierte Material bildet im Anschluss eine Art Rampe und fächert sich dann in ein unsortiertes Blockfeld auf. Die Mulde wird dann im Sommer als kleiner See praktisch umfunktioniert, was auch die Landschaft insgesamt idyllischer macht.



Zurück in Oslo, geht es nach einer halben kurzen Nacht wieder weiter gen Norden. Nach einem Ankommtag gestern – stand heute Skifahren wieder auf dem Programm. Da heute Mittag noch ein guter Teil von meinen bemutterten Wechten abgegangen ist, lies sich das ja gut kombinieren. Nach alle der Hitze in Schottland war es eine Wohltat zu merken, dass hier auch einem warm werden kann – ich dafür aber zumindest den Berg hochkomme. Oben könnte man beinahe die Augen schließen und einfach den ganzen Gletscher hinunter carven – so links recht links rechts. Noch nicht mal denken muss man, das geht einfach automatisch, aber den Parallelschwung werd ich wohl nie mehr los. Ma geil, aber wie soll das erst im Herbst werden, wenn mir das schon nach ner Woche fehlt?! Vielleicht passt dann zumindest die Hose wieder besser…


Zum Abschluss will ich euch einen grandiosen Spruch von Ulli bezüglich des Wetters und der Hitze nicht vorenthalten: Sommer ist die einzige Jahreszeit in der Arktis, wo man in seiner Daunenjacke nicht friert…