Dienstag, 27. Februar 2007

Eine Skitour, eine Thermoskanne aus Taiwan und endlich die Sonne


Letzte Woche hab ichs endlich gebacken bekommen hier oben Skifahren zu gehen. Meine Ski sind zwar schon vor fast zwei Wochen mit meinen Schuhen angekommen, aber irgendwas hat nie gepasst. Schon vorher hatte ich mir mit anderen im Internet noch nötiges Zubehör für Skitouren bestellt, also Felle und Alpine Trekker Adapter für meine Alpinbindung. Dann kam auch noch die Bestellung von Lawinenbeeper, Schaufel und Sonde sowie Helm. Jetzt konnte es also losgehn.
Naja nicht ganz, die Felle mussten noch zugeschnitten werden – ungeschickterweise ist das für ungeschickte nicht ganz so leicht. Die Felle haben eine klebende Seite, die später auf die Skier gebappt wird und eine Laufseite, die kleine gerichtete Stoppel hat. Die gerichteten Stoppel bewirken, dass ich nicht zurückrutsche beim Laufen. Jetzt wieder zu der klebenden – die klebt nämlich ziemlich stark und überall, besonders aber dort wo sie nicht kleben soll (siehe Murphy…).
Die heutigen Skier sind tailliert, die Felle aber gerade, also müssen sie erstmal zurrecht gestutzt werden. Es könnte ja so einfach sein: Fell auf die Skier kleben und links und rechts überschüssiges Material abschneiden, aber nein, die beiden Stahlkanten sollten frei sein zum traversieren. Jetzt versuch mal einen noch 2 m langen 13 cm breiten schrecklich klebenden Streifen auf den Millimeter genau auf deinen taillierten Ski aufzukleben. Hätte sich nicht irgendwann ein Nachbar das unterdrückte Fluchen wenn das Band wieder an sich selbst, Boden oder Pulli kleben blieb nicht mehr anhören können, ich würde immer noch da sitzen.
Dann war es wirklich soweit. Obwohl ich eine normale Alpinbindung habe, kann ich mit den Adaptern wie mit einer Telemarkbindung (Ferse frei) laufen. Oben kann ich dann den Adapter herausnehmen und ganz noch mal meine Schuhe einklicken. Der Nachteil an dieser improvisierten Telemarkbindung auf Zeit ist ganz klar das Gewicht. Hinzu kommen noch die schwereren Schuhe und die im Vergleich zu den hier verwendeten Telemark- oder Fjellskiern monströsen Freeridelatten.
Das gude hier an Spitzbergen ist, ich schnall die Skier vor der Haustür an und ab geht’s. Fast hätte ich ja noch vergessen zu erwähnen, dass wir natürlich ein Gewehr mit uns haben und noch signal pens, das sind Stifte auf die Einzelmunition aufgeschraubt werden kann, die ca. 30 m fliegt und dann in unterschiedlichen Farben explodiert.
Schon nach wenigen hundert Metern merke ich, dass das heute ein ganz schönes Stückchen Arbeit ist. Zudem ist die Bewegung vollkommen ungewohnt. Wir haben gerade die Moräne des Gletschers erreicht und ich bin schon ziemlich am schnaufen. Gerade in den Abschnitten, die zu steil zum gerade hoch laufen sind, merke ich den Adapter. Versuche ich zu traversieren, hat mein Schuh im Adapter ein wenig Spiel und der Ski rutscht von der Kante weg.
Nach mehr als 2 Stunden haben wir die Plackerei hinter uns gebracht und schaufeln eine kleine Sitzmulde für uns in den Schnee und bauen einen improvisierten Windschutz aus einem Jervenduk. Die Abfahrt belohnt und entschädigt für all die Qualen des Aufstiegs. Noch besser: Die Mädels mit ihren leichten schmalen Ski kommen den Hang im windverpressten Schnee kein Meter zurrecht und ich geh ab. Kein powder aber immerhin.
Das lustige an der ganzen Skisache hier oben ist die unterschiedliche Auffassung der Tour. Für die meisten Skandinavier ist das Ziel der Touren der Gipfel, danach wird nur (!) nach unten nach hause gefahren. Ich nehm das quasi andersherum und das Hochdappen als schönes aber nötiges Übel um eine geile Abfahrt zu haben.


Zwei Tage später sind wir wieder am Start. Diesmal nur zu zweit und ein wenig ambitionierter. Großziel: die Sonne. Ist schon ein paar Tage her seit dem 4. Januar…also aufi geht’s. Jetzt weiß ich ungefähr was mich erwartet und ich komme schon besser die Moräne hoch. Leider waren wir beide noch nicht auf dem Trollstein gewesen, unserem Ziel. Also brauchen wir vor dem richtigen Gipfel noch ein wenige mehr Zeit, weil wir keine geeignete Aufstiegsroute finden. So queren wir im steilen Bereich unter dem Gipfel noch ein wenig munter hin und her – langsam könnten wir ja schon ankommen! Ich bin müde, meine Beine auch und die Sonne ist bestimmt auch keine Stunden mehr zu sehen.
Am schmalen Gipfelgrad angekommen schnalle ich ab und kraxele die letzten Meter, die kein Ende haben wollen. Immer höher steige ich und immer mehr vom Horizont sehe ich und was ich sehe gefällt mir, denn es ist sonnenerleuchtet. Die Spannung steigt mit jedem Schritt in unermessliche Höhen. Trotz aller Anstrengung bin ich ein wenig aufgeregt. Noch ein Schritt, noch einer und dann und dann – da ist das Ding: Ich sehe die Sonne und stehe mittendrin. Vorher hatte ich kurz an schwerfällige Worte alla Neil Armstrong „Ein kleiner Schritt für einen Menschen…“ gedacht, aber in diesem Moment erfüllt ein ungeheures Glücksgefühl meinen ganzen nass geschwitzten Körper und ich bekomme eine Gänsehaut. Alles entlädt sich in einem langen „Yeeeeeeeeeeeeeeeeees“ und ich stehe vollkommen glücklich irgendwo am Ende der Welt unterhalb eines Gipfels und gucke in die Sonne! Wahnsinn, wie schön doch die Sonne ist. So hell und so rund. Ich hätte gedacht einen kleinen Teil der Sonne am Horizont zu sehen, aber vor mir schwebt der pralle Ball und lacht mich an. Ich lach zurück, oh und wie ich zurück lache! Das Wetter passt zur ganzen Harmonie und so können wir bei Windstille über eine halbe Stunde gemütlich dasitzen, Tee trinken, ein gefrorenes Brot lutschen und überaus glücklich sein. Aber hey, das beste kommt ja noch: die eigentliche Belohnung für die ganzen Strapazen! Vor mir liegt ja noch ein fast unverspurter Hang, der zu allem Überfluss knapp 20 cm Neuschneeauflage hat und nur darauf wartet von mir verspurt zu werden! Oh ja, dem kann ich helfen! Bam ba bam bam, yes geht es ab. Es ist wie im Rausch, alles geht von alleine und ich schwebe fast dahin. Zu schön um wahr zu sein. Lustig auch, dass man bei der Abfahrt das Meer sieht, passt so gar nicht!

Aber leider hat jeder Traum spätestens am Morgen sein Ende, so geht es auch diesem Hang. Noch die steile hochgequälte Moräne runter, da bin ich schon wieder unten. Vom Feeling her ist es ein geiles Gefühl (Danke Andy M. für diese klugen Worte, die so passend sein).
Gestern früh war ich wieder auf der Suche nach Sucht und bin früh los. Ein gar lustiges Erlebnis hatte ich mit Marco in der Mittagspause. Ich hatte endlich selbst an eine Thermosbottle gedacht, die Rechnung aber ohne die taiwanesischen Facharbeiter gemacht. Da ist doch glatt die Aufschraubtasse an der Flasche festgefroren. Also Handschuhe aus und weiter drehen, drücken und alles zusammen. Leider hat sich daraufhin nur die zusammengeklebte Becherhülle von der Becherinnenseite gelöst, was mich meinem Ziel - dem heißen schwarzen Tee mit viel Zucker - auch nicht näher bracht. Marco wollte mir nicht glauben und versuchte es selber – mit gleichem Erfolg. Schließlich hingen vier frierende Hände an einer kleinen Thermoskanne mit heißem Inhalt und versuchen verzweifelt den verdammischten Deckel abzuschrauben. Aber da ging mal gar keiner und schließlich mussten wir der Kälte Tribut zollen und geschlagen unsere steif gefrorenen Finger wieder in die dicken Fäustlinge stecken. Den Teebecher konnte ich erst wieder in der warmen Küche abschrauben…
Immer wieder hart ist das Gefühl, wenn die Finger nach ungefähr 10 min wieder von Leben erfüllt werden. Der Schmerz raubt einem kurz den Atem und man möchte schreien, es klappt aber nicht. Also bei so ein paar Grad minus und vielleicht noch Wind ist wirklich Vorsicht angesagt, aber bisher bin ich mit den seidenartigen Innenhandschuhen drunter immer ganz gut gefahren.

Die Woche beginnt offiziell das Internationale Polarjahr und wir haben keine Vorlesungen um unseren Laborbericht zu schreiben. Dazwischen wird ich mich mit Sicherheit das ein oder andere Mal zum powdern hochquälen…es lohnt sich!

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hab ich wieder mit Begeisterung gelesen, herrliche Bilder, danke Setphan =)

Anonym hat gesagt…

Wie schon gesagt coole Bilder !!!!!!!!!!!!!!!
Ist immer wieder klasse was von fast Nordpol zu hören!
Noch viel Spaß

Anonym hat gesagt…

Nix außer Skifahren yoa!
Du wirst gerade sehr beneidet

Gruß
Mr. Anonym

Anonym hat gesagt…

Geile Sache so ne Sonnenaufgangs-, Sonnenuntergangstour in einem zu haben. respekt!!!