Donnerstag, 11. Februar 2010

Nordisch by Nature


Hinter mir liegt ein unglaublich aktives wie auch nordisches Wochenende. Wie es der nordische Kalender vorsieht, trinkt man freitags nach einer anstrengenden Woche ein paar Pilsgen. Hat der Samstagmorgen dann am Mittag nach derbem Bauernfrühstück und diversen Kaffees richtig angefangen, steht mal wieder Packen auf dem Stundenplan. Langsam habe ich den bösen Verdacht, dass mich dieses lästige Packen ewig verfolgen wird, aber anscheinend ist es wohl irgendwie zwangsweise mit Reisen verbunden. Es ist also ein lästiges Anhängsel ohne größere positive Funktion… man kann nur Probleme mit bekommen. Schließlich haben wir tapfer auch diese Hürde nach einer lustigen Essen-Einkaufssession genommen. Das Ergebnis nach langer intensiver Beratung im wieder gut sortierten Laden war doch recht bescheiden: Für vier Jungs und ein Mädel sollten 1,5 kg Nudeln, zwei große Gläser Fertigsause und unglaublich viele Lefsa (die ganz zufällig grad im Sonderangebot sind) reichen. Lefsa sind wiederum unglaublich süße Waffeln oder so was in der Art, die um eine undefinierte noch süßere Masse aus Zucker, Apfel und Zimt gerollt werden. Zusammen mit zwei Sixpacks Arctic Mack sollte das auch schon unsere Grundverpflegung, unser Starterkit sein.



Ziel des nordischen Wochenausfluges war die Kapp Laila Cabin. Die ganze Tour war eine Art Revival für mich – in der feinen Hütte durfte ich bereits Anfang letzten Jahres nächtigen. Auf dem Hinweg machten wir jetzt noch einen kleinen Abstecher in die verlassene russische Mini-Siedlung Colesbukta wo ich 2007 schon mal mit dem Roten Kreuz war. Jetzt die kleine Geisterstadt von nicht mal 10 Häusern bei ein wenig mehr Licht zu sehen, war schon recht nett, wieder in die Kapp Laila Cabin zu kommen noch netter und schließlich am nettesten war es bereits auf dem Weg in der Ferne das eigentliche Objekt unserer skifahrerischen Begierde zu sehen: den Vesuv - Berg der Mythen und Freerider. Um es vorweg zu nehmen, es wurde ein grandios gelungenes Wochenende – trotz instand Capuccino und ausgehender Nudelsoße. Der späte Samstagnachmittag stand dann ziemlich deutlich im Zeichen der Nahrungsaufnahme – Pasta mit Fertigsauce, Pasta ohne Fertigsauce (weil alle) und Lefsa – komme was wolle, es wurde gegessen! Zur Belohung durften wir dann fast den ganzen Abend Nordlichter der Extraklasse über unsere Hütte ihren Walzer tanzen sehen. Da Longyearbyen hinter den Bergen nicht zu sehen war, verschwand sogar das letzte bisschen Restlicht, was den nächtlichen Walzer noch inniger machte. Wer noch nie ein Nordlicht gesehen hat, kann einfach nicht mitreden - es ist und bleibt einfach die schönste sowie unglaublichste Sache der Welt. Und ich wette im Himmel reden sie nur davon… vielleicht auch noch vom Meer.


Sportliche Betätigungen mit Nordlichtern im Hintergrund waren grandiose Versuche eine Slackline zwischen zwei Scootern zu begehen. Wer wie und vor allem warum auf die Idee kam Handstände zu machen, konnten wir später nicht mehr klären, jedenfalls versuchten wir uns alle auch im weitern Verlauf der Tour überall recht verzweifelt an möglichst geradlinigen Handständen. Dicke Skischuhe an den Beinen machen diese für Normalbegabte ohnehin schon schwierige Turnperformance umso schwieriger. Ich konnte mich entsinnen, dass ich irgendwann in der Mittelstufe auf besagten Handstand plus X mit „ausreichend“ meine schlechteste Sportnote meiner ganzen schulischen Kariere hinnehmen musste. Zum Glück konnte ich mit der ‚Ausrede’ Fotos der Handstände machen zu wollen, einem ungewollten mehrfachen komplizierten Beinbruch vorbeugen, was wiederum ein jähes Ende der Tour bedeutet hätte.

Samstagabend machten wir uns nach intensivem Nordlichter-Genuss doch recht früh in die fetten Daunenschlafsäcke, am nächsten Tag stand immerhin der Versuv auf dem Programm und wir wollten das bisschen Licht was mittags schon ist definitiv nutzen. Die Aussicht auf einen lauwarmen instand Cappuccino ließen mich am Morgen kurz das frühe Aufstehen überdenken, aber erste Holzhackversuche für Kleinholz zum Ofen Anfeuern von Max erleichterten oder zumindest verschnellerten die Entscheidung dann doch ein wenig. Als Freund des gehobenen Frühstücks kam mir natürlich die morgendliche Hektik und die zum Aufbruch rufende Meute nicht besonders entgegen, aber das sind halt die Opfer die man bringen muss…zum Glück wusste ich ja was uns erwartet! Nach etlichen Überlegungen hatten wir uns schon letztes Frühjahr zum Versuv aufgemacht und wurden damals schon derbe belohnt. Das Wetter passte auch diesmal, nicht zu warm, nicht zu kühl, super klarer Himmel mit einem Blau, das man wohl nur hier erlebt.



Im Gegensatz zu den meisten Bergen direkt um Longyearbyen herum ist hier die ganze Saison kaum jemand unterwegs, so dass man sich seinen Weg zum Berg und Gipfel schon selbst zurecht überlegen muss und nicht nur einer Spur nachdappt. Der Weg – verkürzt durch aufmunternde Handstand-Sessions hatte eine wirklich angenehme Länge – nicht zu lang so dass man vollkommen am Ende am Gipfel ankommt, aber auch nicht zu kurz, so dass man durchaus das gute Gefühl hat auch was geleistet und dabei geschwitzt zu haben. Das Herz hat dabei auch wieder ein wenig malochen dürfen, also alles subba. Allein der Ausblick vom Gipfel war alle Anstrengungen wert; wäre die Erde nicht so komische gebogen, von hier könnte man das Ende sehen, ganz bestimmt! Nach einem vorzüglichen Hühnchen-Curry aus der Tüten Outdoorküche kam dann die Kür.



Welch eine Wohltat endlich wieder ein wenig Schnee unter den Brettern zu fühlen und zu erleben, dass alles irgendwie von alleine geht – Denken nicht notwendig! Sofort ist sie wieder da die Sucht nach Powder, die den Sommer über halb schlummernd irgendwie im Hinterkopf verbracht hat. Nach ein paar fixen kleinen Touren zum Larsbreen geht die Skisaison jetzt richtig rund. Wenn es nach angedachten Projekten gehen würde, wäre die ganze Saison bis Ende Juni schon verplant…aber mal abwarten und instand Cappuccino trinken.

Meine Meinung, dass Rentiere zumindest hier oben durch erstaunliche Blödheit auffallen, wurde auf dem Rückweg nach Longyearbyen mal wieder derbe bestätigt. Ich fuhr den letzten von drei Scootern als zwei Rentiere vielleicht 20 m neben dem Scooterweg im Lichtkegel auftauchten. Bei den ersten beiden Scootern bewegten sie noch net mal ihre Ohren, eventuell mögen sie gezwinkert haben. Doch kaum näherte ich mich ihnen, rannten sie ähnlich einer Mücke die magisch vom Licht angezogen wird wie bescheuert seitlich auf den Scooter los. Im letzten Moment ist den beiden Schlaumeiern wahrscheinlich aufgefallen, dass sie ja doch keine Mücken sind, das Licht komische Motorgeräusche macht und sich zudem in (Licht)Geschwindigkeit fortbewegt, was sie zur durchausweisen Entscheidung veranlasste, am Licht vorbei zu rennen. Ende gut alles gut, so dass die richtige Skisaison also von einer rundum gelungen Vesuv-Tour als eröffnet erklärt wurde.


Mehr Bilder wie gehabt bei Flickr:

http://www.flickr.com/photos/39169533@N03/sets/72157623382610626/




Keine Kommentare: