Sonntag, 10. Mai 2009

Krisensitzung, Vesuv und ein langer Samstag


Fangen wir mal mit dem Samstag an und der begann eigentlich am Freitagabend. Freitags ist ja Friday gathering (ganze Uni trifft sich am Kamin in der Uni und trinkt nicht leckeres norwegisches Bier), aber wenn draußen die Sonne scheint, die Vögel glücklich zwitschern und dazu auch noch schlechtes Wetter für den Rest des Wochenendes angesagt ist, dann ist die Versuchung, da eh kein Unterschied zwischen Tag und Nacht ist, halt jetzt einen Trip zu machen. ‚Jetzt’ oder ‚gleich’ kann bei mir ein bisschen dauern und so wurde aus ‚jetzt’ bzw. ‚gleich’ zwanzig nach zwölf, womit wir zum Samstag kommen – was eine Überleitung. Der Plan war fix mit Anders' (der heißt echt so) Scooter nach Coalsbukta zu fahren, dort ein paar alte verlassene Häuser anzugucken, einen Kaffe in der Morgensonne zu trinken, ein paar Fotos zu machen und schwups zurück. Ein kleinerer Trip kam mir eh entgegen, da ich Samstag früh - bevor das schlechte Wetter merkt, dass es kommen soll - noch zum Vesuv wollte.
Wenn man hier in Spitzbergen vor die Tür geht, geht alles solange gut bis irgendwas nicht mehr so funktioniert wie es gedacht war. Ist also immer ein recht schmaler Grad auf dem man sich befindet und meistens bleibt man auch auf jenem. Meistens…
Ein Kumpel vom Anders hatte an dem Tag noch irgendwas verändert (1. Fehler: Studenten basteln am Scoorter rum) und es danach nicht wirklich getestet (2. Fehler). Anstatt erstmal alles zu checken wollten wir dann gleich auf den Minitrip (3. Fehler) und waren alleine (4. Fehler). Es kam wie es kommen musste, wenn man den schmalen Grad verlässt: Durch zu hohe Reibung am Laufband wurde dieses zu heiß und fing zu 'schwitzen' an. Als wir nach kurzer Fahrt eine Abkühlpause einlegten, hat sich das Laufband darüber wohl so gefreut, dass es sich auf so eine Art Schiene angeschmiegt hat und es gar nicht mehr loslassen wollte – sie waren einfach zusammengeschmolzen. Da standen wir beiden Könige ohne Königreich also mitten in der Nacht alleine in einem großen Tal und der Scooter wollte oder konnte eher nicht mehr vor und nicht zurück. Was hilfts, vom Kaffetrinken repariert sich sicher nichts, also Scooter anheben (sau schwer) und der andere (passenderweise mit dem Namen Anders) versucht dann mit Schuhferse oder Gewehrkolben die sich vereinigten Teile zu trennen. Das Gewehr machte dabei die deutlich bessere Figur, in der Tat ists wahrscheinlich das erste und letzt Mal, dass ich wirklich ein Gewehr gebraucht habe. Das Anheben geht einem mit der Zeit ganz schön in die Arme, man könnte sich ja eigentlich grundsätzlich abwechseln, wenn der Andere nicht zufällig einen eingegipsten angebrochenen Arm hätte, womit Fehler 5 ins Spiel kommt. Schließlich waren alle Teile bis auf einen widerspenstigen befreit, da kam zufällig doch noch ein Scooter vorbei, der eine Art Brechstange dabei hatte. Also Ende gut alles gut, aber es hat sich mal wieder gezeigt, dass alles hier doch nicht alles so selbstverständlich einfach ist wie mit dem Auto von A nach B zu fahren. Zudem gibt’s hier nicht die Gelben Engel, die man zur Not immer anrufen kann. Zur mütterlichen Beruhigung muss ich noch darauf hinweisen, dass wir noch im Bereich mit Mobilfunkverbindung waren, in der Nähe eine kleine Hütte war und wir auch noch zusätzliche Verpflegung am Start hatten.
Zumindest hatten wir uns außerdem für unser kleines Missgeschick einen recht hübschen Platz ausgesucht – immerhin!


Nach nur bösen 4,5 h Schlaf ließ mich der unbarmherzige Wecker die Augen wieder nach vorne richten. Vor uns lag der lang gehegte Wunsch den schön geformten Vesuv zu befahren. Da irgendwie sämtliche Skiliftbetriebe nicht auf die Idee gekommen sind das aus einem kleinen Kinderschlepplift bestehende Skigebiet ‚Longyearbyen’ zu vergrößern, stand also erstmal Laufen auf dem Spielplan. Naja erstmal mussten wir ueberhaupt zum Berg, was sich recht schwierig gestaltete, da ich ja keinen Scooter hab. Auf dem Hinweg habe ich es mir dann versucht auf dem Anhängerschlitten hinter den Skiern bequem zu machen, was nicht wirklich erfolgreich war. Die Schlitten sind nicht wirklich für Personen ausgelegt, man kann sich quasi nicht richtig festhalten und dotzt auf einer Holzplatte eigentlich nur hin und her bis der Arsch weh tut und wenn man Glück hat (und der Fahrer Einsicht) sich mal 2 Minuten stehend entspannen kann. Luxus ist anders, aber ich will nicht jammern – bin ja angekommen. Da wir mit Scootern nicht direkt zum Berg kommen konnten, hatten wir eigentlich erwartet, dass der Berg als Zeichen der Freundschaft und tiefen Verbundenheit zu uns kommt, doch dem war nicht so – also mussten wir doch laufen. Da der Weg ja das Ziel sein soll (Floskel auf Floskel) und der Berg sich noch hinter einem ersten Hang und folgendem Plateau versteckt hielt, machten wir uns frohen Mutes auf den Weg. Ist ein cooles Gefühl sich seinen Weg so zum Berg zu suchen, da kaum Leute hier unterwegs sind und wir eigentlich keinen Plan hatten wo es am schlausten ist. Irgendwann kam dann diese wunderschöne Silhouette in Sicht, die dem Berg auch seinen Namen gegeben hat.


Der letzte Anstieg hoch zum Gipfel war nochmal ein wenig steiler, aber wenn man weiß wo man hin will, ist der Weg nur halb so weit. Der Gipfel belohte uns mit grandioser Aussicht und kurzzeitiger Windstille. Einen heißen Kakao schlürfen, Schoki einschmeißen und Siegerfoto, dann darf man sich die Belohnung für die schweißtreibenden Strapazen in Form einer geilen Abfahrt abholen.


Wider Erwarten war der Schnee von der feinen Sorte und so kam der ein oder andere Glücks-Jodler bei der Abfahrt über unsere Lippen. Anstatt wieder über das Plateau zurück zu laufen, folgten wir zur linken einem Bachbett, was neben vielen Steinen auch noch einen Zusatzbonushang zum Bett hinab zu bieten hatte – Schnee wieder von der edlen Sorte. Die besten Überraschungen sind doch die die man nicht erwartet und so öffnete sich plötzlich vor uns eine Art natürlicher Gewölbekeller. Keine Ahnung wie so ein natürlicher Tunnel aus geschichtetem Eis und Geröll wirklich entsteht – ich werd mich aber mal umhören. Schön wars allemal!



Nach dem wirklich gelungenen Trip stand nur noch die Rückkehr auf dem Tagesprogramm und um mein recht malträtiertes Hinterteil zu schonen wurde ich die Rückfahrt auf Skiern ins Schlepptau hinterm Scooter genommen. Wie Wasserski nur ohne Wasser – auch brutal anstrengend, aber nachdem den halben Tag die Beine dolle gearbeitet hatten, mussten die Arme zum Ausgleich nochmal dran glauben. Ergebnis: Arsch im Arsch, Arme im Arsch – Vogel müde, Gude Nacht.

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