Doch just an meinem Berg ist Scooterfahren verboten und so musste alles getragen / gezogen werden. Zum Glück konnte ich Ulli und Max für den Tag gewinnen, sonst würde ich wohl immer noch versuchen mit der Pulka hinter mir das Tal hoch zu kommen. Ich hab nicht unbedingt mit Sonnenschein und 20°C plus gerechnet, auch nicht gehofft, aber oben zogs schon wie verdammischte Hechtsuppe. Was oder vielmehr wer an der Hechtsuppe allerdings schon seit Generationen zieht, blieb unergründlich. Egal, es war zwar nicht so kalt (-10°C), dafür aber als ausgleichende Gerechtigkeit und um die Mannhaftigkeit zu wahren, brutal windig. Den Elementen trotzend (hör sich auch männlich an…) haben wir aber die Kamera aufgebaut und die 18 Bambusstäbe in den gefrorenen Boden gebohrt bekommen. Gebohrt – deshalb nimmt man auf so eine schöne Tour ja auch gerne mal ne dicke Hilti mit (Hilti = Inbegriff von ner Bohrmaschine).
Das Gefühl war bei der ganzen Geschichte (mal abgesehen davon, dass es recht kühl und zügig war) schon besonders, da ich irgendwann verstand, dass es mein Projekt ist, meine Masterarbeit. Es ist wie irgendwie dort angekommen zu sein, wo ich vielleicht hin wollte, als ich vor zweieinhalb Jahren mit einem Haufen Papier genervt vom örtlichen System beim Amt für Auslandsangelegenheiten an der Uni stand, um mein Academic Record für Spitzbergen Teil 1 übersetzen zu lassen. Ui, langer Satz, mindestens so lang wie der Weg. Weil aber der Weg das Ziel ist bzw. ja zumindest sein soll, war es eine schöne, nein geile Zeit vom Auslandsangelegenheitenamt bis hier hoch! Mit dem Aufbau der Kamera und den Stäben zusätzlich zu einer zweiten Kamera, die vom Tal aus den gesamten Bereich aufnimmt, ist der eigentliche Zweck meines ersten Aufenthalts 2009 erfolgreich erfüllt.
Zwei Tage später war ich nochmal alleine oben um die Funktion der Kamera zu checken und die Speicherkarte zu wechseln. Damit ich nicht ganz so alleine bin, war an diesem Tag der Nebel mein treuer Gefährte. Und je länger ich dort oben alleine war, desto stärker kümmerte sich dieser auch um mich – wie nett doch von ihm. Auf dem Weg zur Kamera, wo ich ein großes Plateau überqueren muss, lies mich schon ein in 15 Metern stehendes mit dem Nebel Verstecken spielendes riesiges weißes Rentier erschrecken und zusammenzucken. Zum Nebel und wahrscheinlich vom lustigen Versteck-Spiel angeregt, gesellte sich dann der Schnee, was mir auf dem Rückweg nach dem Plateau trotz Sicht gleich Null eine herrliche Abfahrt bescherte. Wasn geiles Gefühl die Augen fast schließen zu können – na ja mit offenen sah ich nicht unbedingt mehr – und richtig smooth auf den Larsbreen und den restlichen Gletscher runter zu powdern. Man muss gar nicht denken (was eine Wohltat), die Beine schwingen von alleine und es wird ein wenig ruhig um einen. Das kleine innerliche Lächeln ist unter der Gesichtsmaske kaum auszumachen. Kaum zurück in der Barakke, machte ich mich nach einem oder zwei Pötten Kaffe und einem kleinen Mahl mit Andech (schwedischer Name) nochmal auf zur Icecave – zum Glück aber mit Scootern. Das ganze Gelatsche hatte doch ein wenig geschlaucht. Mittlerweile war es dunkel und der starke Schneefall machte die Orientierung nicht gerade einfacher. Ohne eine vom Haupttrack abgehende Spur hätten wir die Höhle sicher nicht so schnell gefunden. Unten taucht man wie in eine andere Welt ab – auch wenn ich die Uhr deutlich in meinem Hinterkopf ticken höre: Später wollte ich noch bei Max ne geile Schweinelende schmausen. Irgendwie muss ich wohl vergessen haben, dass eine Höhle eine Höhle ist, weil über dir nicht Himmel, sondern irgendwas anderes ist. In einer Eishöhle ist dies meistens Eis. Bei dem dummen Versuch aus der Hocke aufzustehen, überprüfte ich mal wie hart dicke Eiszapfen sind – sehr hart. Zur Beruhigung der Miniplatzwunde habe ich dann mal ganz männlich einen Eiszapfen draufgelegt, hätte Bruce Willis sicher auch so gemacht. Dass ich noch ein zweites Mal versuchte der Höhle nach oben einen Zweiten Eingang zu schaffen, kann ich nur darauf zurückführen, dass ich Hunger hatte und schnell zur Schweinelende wollte. Aus der Abkürzung nach oben wurde nichts, aber die Lende war trotz des langen Weges zum Nordpol noch recht zart. In der Nacht hieß es noch zusammenpacken. Wie ich es hasse! Wieder einpacken ist so eine lästige Sache. Beim Packen freut man sich auf den bevorstehenden Urlaub, denkt man ob Mann vielleicht doch besser noch ein Paar warme Socken einpacken sollte – es könnte ja frisch werden – aber beim wieder Einpacken ist die ganze Euphorie verflogen, ganz zu schweigen von der Frische der einzupackenden Socken. Zum Glück bin ich Freund von riesigen Taschen und so konnte ich jegliche Zusammenleg-Motivationsmängel kompensieren.
Am nächsten Mittag musste ich schließlich die gepackten Taschen schultern und zum Bus wuchten. Es ist immer wieder verwunderlich, wie viel man doch im Endeffekt wieder dabei hat. Im Gegensatz zum letzten Aufbruch bin ich jetzt jedoch gefasst. Stand letztes Mal noch ein dickes Fragezeichen vor meinem folgenden Weg, ist es nun durch ein Ausrufezeichen ersetzt worden. Nach Ostern bin ich ja wieder hier! Obwohl keine zusätzliche Motivation von Nöten ist, freu ich mich schon auf meine fetten Gotamas, die dann irgendwo auf mich warten, um Hjortfjellet und den Vesuv unsicher zu machen! Bis Ostern!