Dienstag, 16. Juni 2009

Ein Leben wie ein junger Hund


Gemäß der österreichischen Mundart ‘A Lebn wiar a junga Hund’, machten sich Welpe E. und Welpe V. auf, die Nacht der Hektik Longyearbyens zu entfliehen. Nach der traumhaften halben Nacht an Lars Hjerta wollten wir auf dem darunter liegenden Larsbreen unser Zelt ‚Isfjell 4’ aufbauen. Nach etwas Suchen fanden wir im Student Equipment auch noch passende Zeltstangen und für mich noch ne Isomatte. Ich wollte sie gleich noch probeweise aufblasen, war dann doch zu faul, was sich natürlich später wieder rächen sollte.


Für Samstagabend und zumindest Sonntag bis zum Nachmittag hatte das Orakel grandioses Wetter prophezeit und es sollte sich bewahrheiten. Kaum eine Wolke war am Himmel zu sehen als wir uns vollbepackt gegen acht auf den Weg machten. Leider muss hier unten im Tal der Schnee heftigen Tribut an den Frühling zahlen, was dazu führt, dass der Schmelzwasserbach immer größer wird und zumindest der Teil bis in die Moräne recht nervig ist mit abschnallen und wieder anschnallen, irgendwie über den Bach kommen und wieder von vorne. Doch darüber ist immer noch geschlossene Schneedecke und deshalb werde ich hier auch irgendwo die Tage noch eine Box mit meinen Skisachen für die Feldarbeit deponieren. Schließlich will ich ja noch einen Monat zu meinen Wechten kommen und ohne Ski versinkt man einfach hoffnungslos im Sulz. Das heißt auch, dass dieses Jahr die Skisaison bis in den Juli ausgedehnt werden wird…
Noch bevor wir unser Lager aufgeschlagen hatten, machten wir den ersten Abstecher zum Trollstein und zum ersten Mal konnte ich meinen inneren Schweinehund überreden auf den blöden Steinwürfel zu klettern – wäre das auch abgehakt. Ich weiß auch nicht was das manchmal ist, aber irgendwas sagt mir dann ‚Mach das besser net’, auch wenn’s überhaupt keine große Sache ist…. Als wir später in der Nacht bzw. am frühen Morgen wieder oben waren, gestaltete sich die Sache zwischen mir und dem Würfel schon wesentlich entspannter. Doch ob ich jemals wirklich klettern werde, bezweifle ich doch mal stark…


Es ist so geil, wie konstanter Sonnenschein, obwohl man es ja jetzt langsam gewöhnt ist, seine innere Uhr vollkommen verrückt spielen lässt. Nach dem ersten Trollsteinen-Trip, Zeltaufbau und der Konstruktion von Tisch und Sitzbank war es schon zwei Uhr, was ich nie nie nie geschätzt hatte, eher so elf oder so.


Vor dem Abendessen konnte ich durch einen recht riskanten Selbstversuch verstehen, warum auf diesen Instant-Cappuccino Tütchen immer drauf steht ‚Mit heißen Wasser übergießen’: Bei kaltem, halb am frierendem Wasser löst sich das olle Pulver nicht richtig auf! Aber der Gedanke an Glacier-Ice-Coffee machte die meisten Geschmacksmakel wieder wett.
Nach dem Abendessen, was eher die Bezeichnung Nachtmahl verdient hätte, machten wir uns zum zweiten Mal gen Trollsteinen auf. Nachdem wir beim ersten Mal noch weiter Richtung Lars Hjerta übern den Rücken gelatscht waren, um über die kleinen Wechten zu droppen, gings jetzt eher gerade runter zum Zelt.



Aus unerfindlichen Gründen bekam ich Lust Telemark mal zu versuchen, was sich aber schwieriger gestaltete als gedacht. Insgeheim hatte ich noch auf ‚Naturtalent’ oder so gehofft, doch leider musste ich der bitteren Wahrheit ins Gesicht schauen. Is halt wie Skifahren - noch kein Meister vom Himmel gefallen, aber ich glaub, ich werde das nochmal versuchen.


Kaum hatte ich zurück am Zelt meine geliehene Isomatte aus ihrer Hülle gezogen, sah ich, was ich irgendwie schon wusste: ‚Sponsort by Simon Løvås, slightly leaking, breath in to inflate’… na klasse! Zumindest hielt die olle Matte die Luft an, bis ich mich in den Schlaf gewälzt hatte. Das Aufwachen war dann eher kühl am Rücken und auch irgendwie härter…irgendwie so, als ob man ohne Matte auf Schnee liegt.


Am Morgen, der nach der Nacht eher Mittag war, erfuhren wir, warum die Chinesen allgemein als schlaues Volk geachtet werden: In jedem Chinarestaurant sitzt man an einem runden Tisch und die meisten von uns denken wohl, es habe was mit dem Essen auf diesen Drehscheiben zu tun. Nein, weit gefehlt, denn die Chinesen sind noch viel schlauer als wir bisher dachten. Die runden Tische mit den Stühlen rundherum sind nämlich ursprünglich für die Arktis sowie Antarktis konstruier worden. Da sich die Arktis aber aus China und vor allem aus den Chinarestaurants schon verzogen hat, versteht das heute kaum noch jemand. Der Grund für die so genannten Rundtische liegt nämlich in dem urmenschlichen Bestreben, wenn die Sonne scheint auch sein Gesicht in jene Richtung recken zu wollen. Da im Sommer in der Arktis die Sonne rund um die Uhr aus allen möglichen Richtungen strahlt, ist natürlich ein eckiger Tisch nicht vorteilhaft. Diese Erfahrung mussten wir am nächsten Morgen machen, wo wir in unserer nächtlichen Bank-Tisch-Konstruktion die Sonne nämlich jetzt im Nacken hatten. Aber was man nicht im Kopf hat, haben wir ja in den Armen und so wurde aus Tisch Bank und aus Bank Tisch – so konnten wir wieder glücklich in die Sonne schauen. Lediglich bei mehr als einer Übernachtung stellt dieses System ein derbes Problem da, weil man ja immer tiefer buddelt und irgendwann einfach in einem Eisloch ohne Sonne sitzt. Also merke: dann gleich auf das chinesische Rundtisch-Prinzip setzen und rund um die Uhr ohne weitere Umbauarbeiten die Sonne im Gesicht genießen.


Was natürlich an einem zünftigen Frühstück (auch wenn es schon Nachmittag ist) nicht fehlen darf, ist ein Sirup Brot! Da die Wailt-Huga Tour aber gezeigt hat, dass Sirup mit der Kälte dickflüssiger wird und dickflüssiger Sirup nur schwer aus der Squeeze-Flasche zu bekommen ist, kam der Sirup zu einer luxuriösen Übernachtung im fetten Daunenschalfsack. Aus Dankbarkeit fand er am folgenden Morgen dann den Weg fast alleine zum Brot – was ein Genuss! Das zweite Brötchen machte dann auch die Enttäuschung über den Instant-Cappucino wieder wett, der trotz diesmal heißem Wasser leider immer noch nicht viel besser schmeckte. Is halt doch ein treuer Gefährte der Sirup…

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