Samstag, 7. Juli 2007

Lost in Translation


Endlich ists rum…so viel ist stehen und sitzen geblieben in den letzten Wochen, da weiß ich gar nicht, wo ich mit dem Nachholen anfangen soll.
Vielleicht bei der großartigen Cruise, die wir auf und mit der R/V Jan Mayen hatten. Man sollte ja denken, dass einem auf größeren Schiffen nicht übel werden würde – um es vorweg zu nehmen: dem ist nicht so, dem ist sogar gar nicht so! Und ist einem erst mal übel, ist es schon zu spät, denn die Seekrankheitstabletten wirken erst nach drei Stunden. Hat man diese drei Stunden erfolgreich ohne größere Nahrungsrückgabe überstanden, ist es allerdings noch nicht vorbei – jetzt wirken nämlich die Tabletten! Wie auf Droge fühlt man sich (es spricht der Fachmann) und verdammt müde wird man auch noch! Ich hab also mal so ziemlich 24 h auf der Brücke neben dem sich abwechselnden Kapitän aufm Sofa gesessen und konzentriert den Horizont angeschaut. In meine kleine Kajüte hätt mich keiner gebracht. Besonders schlimm war es in kleinen Räumen, wie zum Beispiel der Dusche. Duschen soll ja erfrischend, erholsam sein – kein Meter, kacke wurd mir übel…
Irgendwann war auch das durchstanden und ich konnte mich wieder meinem glücklichen Studentendasein widmen. Das ist echt Wahnsinn, die meisten Studenten (zumindest zuhause) haben wahrscheinlich noch nie was von den ganzen Bohrgeräten gehört, weder sie gesehen noch benutzt und wissen auch wohl nicht was man überhaupt damit anfangen kann. Ich schätze mich in der überglücklichen Situation, alles das gelernt, gesehen und auch benutzt zu haben.
Während der Cruise wurde durchgängig in sechs Stunden Schichten gearbeitet. Da ja 24 h die Sonne scheint und man auf dem Meer ohne Land in Sicht schnell mal vergisst wo links und rechts ist, kam es nicht selten vor, dass man einfach keinen Plan hat, ob jetzt für einen die Abend- oder Morgenschicht anfängt. Uhren mit Zifferblättern tragen nicht zur geistigen und körperlichen Orientierung bei…Mit großer Verzückung denke ich an einen kleinen Ausflug nach Ny Ålesund zurück, einer kleinen Forschungsstation verschiedener Nationen mitten im Nirgendwo. Doch obwohl der Schnee und die Gletscher eventuell den Schluss zuließen würden, dass das Wasser auch hier oben bei fast 80° Nord relativ kühl ist, wollte ich mich mit dieser einfachen Kombination nicht zufrieden geben und musste der Sache auf den Grund gehen. Zusammenfassend und abschließend kann ich jedoch vollstens den ersten Eindruck bestätigen – das Wasser ist echt sau kalt…

Zeitreise – Die Mama kommt mit dem Dödel
Gleich ein paar Stunden nachdem sie abends gelandet sind, habe ich sie noch mal in die alte Mine gezerrt. Doch nach einigen Metern muss sich die tapfere Mama einem für ihr hohes Alter angepasstem Tempo beugen. Obwohl es unglaubwürdig erscheint, wird mir versichert, ihre aktive Walking-Kariere im Ober-Olmer Wald sei noch nicht beendet…Zugute halten muss man ihr aber wirklich, dass der Schnee schon angetaut war und man so ziemlich tief einsinkt bei jedem Schritt, was die Sache an sich nicht gerade weniger anstrengend macht. Endlich sich den Hang (oder sollte ich respektvollerweise Berg sagen) hoch gequält, genießen wir die Mitternachtssonne zu später Stunde in unseren Gesichtern. Ich glaube, ich lebe in ihren Augen in einer verrückten Welt…

Nachdem das ja mit dem „Wandern“ schon ganz ok (sorry Mama, aber mehr kann ich dir echt nicht bescheinigen) gelaufen ist, machen wir uns am nächsten Tag zur Eishöhle auf. Vielleicht waren es ein, zwei Minuten länger, als die von mir versprochenen anderthalb Stunden, aber meine Überredungskünste und Beschwichtigungen, dass ich die Mama nicht zum Herzanfall treiben will, werden auf eine harte Probe gestellt…die Eishöhle geht wieder ab und beruhigt Körper, Geist und Seele. Auch wenn ich schon das dritte Mal da war, immer wieder wunderschön diese Eisformationen zu sehen. Doch irgendwie kann ich weder den Dödel (der mit Sicherheit zum ersten Mal in ihrem Leben brauner ist als ich) noch die Walking-Expertin ausm heimischen Wald für eine weitere Tour in den verbleibenden Tagen überreden. Die Ausrede Muskelkater seit vier Tagen von zwei Stunden stapfen zu haben kann ich nicht wirklich glauben…Insgesamt haben wir ein paar richtige schöne Tage auf meiner kleinen großen Insel.


Nach meinem Lawinen-Projekt kommt der unangenehmere Teil jeden Semesters – die Klausuren. Es wird mir wohl bis ans Ende meines Studiums ein großes Mysterium bleiben, warum immer alle Klausuren versuchen möglichst nah beieinander zu liegen, mit Romantik hat das reichlich wenig zu tun. Die Zeit in der ich lerne, lerne ich (ach was…); irgendwie gibt es aber zwei Lager: die einen waren wochenlang nicht mehr draußen, lernen die ganze Zeit wie Depp. Das Zweite Lager, was deutlich kleiner ist, lernt kaum was und versucht mir ständig zu erklären, dass es doch alles toooootal einfach ist und sie nicht verstehen würden, warum alle lernen. Wie so oft liegt das frowe Maase in der goldenen Mitte und Wilhelm Tell trifft den Apfel. Warum auch immer, jedenfalls gibt es am Ende nur drei Noten (2, 3, 4). Ob das jetzt daran liegt, dass es für die, die nicht gelernt haben so einfach war und / oder für die, die viel gelernt haben, so schwierig war, reiht sich nahtlos in die Liste Spitzbergens Mysterien ein. Ich hab die goldene Mitte und freu mich kugelig über all die Skitouren, die ich gemacht hab und andre nicht…am Ende wird abgerechnet (wie die Bräunungskette) und da muss ich sagen, hab ich alles richtig gemacht. Nach der zweiten Klausur hab ich eine Woche frei, die auch dringend von Nöten war.
Mittlerweile hat der Sommerkurs angefangen und wir sind nach Schießtraining, Einführung und kleiner Exkursion nach Kapp Linné aufgebrochen. In kleinen offenen und sau schnellen Polarcirkel Booten ging es in Survival-Ganzkörperanzügen ab in diese alte Radiostation, wo ich jetzt zwei Wochen lang untergebracht bin. Hier gibt es (zumindest für uns Studenten) keine Internetverbindung, also werde ich das Niedergetippte erst bei meiner Rückkehr in die Zivilisation der Stadt in Longyearbyen hochladen können. Wenn ich wieder in Longyearbyen bin, hat bereits die letzte Woche meines großen (Studium-)Abenteuers begonnen…ich will noch gar nicht dran denken. Ich genieße jetzt noch mal richtig meine zwei Wochen hier in Kapp Linné. Gestern Abend hab ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Wal gesehen! Eine Gruppe von ungefähr zehn Belugawalen patrulierte (wie schreibt man das…) keine 20 Meter vom Ufer entfernt, wo der Vogel stand…imposante Tiere und mit ihrer weißen Farbe tragen die noch zur „Imposantität“ bei. Geil, jetzt fehlt nur noch der Eisbär…

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