Samstag, 28. April 2007

Chefsalat und Flugzeuge im Bauch


Letzte Woche hat sich der erste mutige Kämpfer aus dem sommerlich warmen Deutschland in die hohe Arktis gewagt. Die Schwierigkeit für mich bestand nicht nur in einer möglichst perfekten Präsentation aller Möglichkeiten hier oben, sonder auch noch alles dem Oli – seines Zeichens nämlich der lauffaulste Mensch auf der ganzen Insel – mit wenig Laufen irgendwie zu ermöglichen…
Lässig hatten wir nur ein paar Tage vorher telefoniert und der gude Mann quasi gesagt: „Also entweder ich komm übermorgen oder in einer Woche – was soll ich mitbringen?!“ Übermorgen also! Stilecht hab ich mir am späten Abend noch einen Scooter geliehen, einen Scooteroverall geborgt (nicht dass der Liebe schon mit Frostbeulen zu kämpfen hat, bevor alles anfängt), die Waffe geschultert und zum Flughafen gecruised. Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke nicht, dass es viele Flughäfen auf der ganzen Welt gibt, in denen man nicht blöd angeschaut wird, wenn man in der (Wohnzimmer-)Wartehalle mit einem Gewehr auf dem Rücken, Sturmmaske vor dem Gesicht und Helm aufm Kopf steht. Und ab gings, keine halbe Stunde gelandet, zur ersten (wenn auch sehr kleinen) Scootertour. Jetzt ists ja auch 24 Stunden am Tag hell, da kann man schon was machen.
Grosses stand an diesem Wochenende an, zugleich lies aber der Wetterreport nichts Gutes hoffen. Seit Ostern hatte es nicht mehr (richtig) geschneit, die Schneeoberfläche war also richtig hart windverblasen, dass ich sogar zwei Tage vorher zum Lage checken aufm Berg den Wanderschuhen den Vorzug vor den Skiern gab (kam hier auch noch nicht so oft vor…). Am Wochenende sollte der Schnee kommen, mit dem Oli aber auch der Sturm. Zudem sollte es im Laufe der Tage noch wärmer werden, so warm, dass schon von Regen die Rede war.
Donnerstagabend ging dann nicht mehr ganz soviel: Es wurde mir nur wieder bestätigt, dass das norwegische Bier halt kein Beck’s ist…
Freitag sind wir dann recht kurz zur Uni (was zu Olis Erschrecken wirklich eine halbe Stunde hin dauert…). Nach der Vorlesung kamen wir in den Genuss in Annes kleinem Pferdefütter-Auto, in dem mehr Heu liegt als es in ganz Spitzbergen freilebend gibt, hoch nach Nybien zu fahren. Kurz gestärkt machten wir uns auf den Weg zur Eishöhle. Nicht nur zu Olis Unglück (aber wohl vor allem) wurde aus der einen Stunde Laufen noch ne halbe mehr. Entschädigen konnte dann die Höhle wie erhofft für alles. Glück hatte ich, als ich noch im Eingang feststellte, dass meine Kopflampe nicht gaaanz so hell leuchtet, und oben noch Jonas stand, der eben noch unten war. Also mit neuer Lampe und großer Zufriedenheit ging es wieder hinab in diese einzigartige Welt. Ein bisschen laufen, ein wenig kriechen, robben und man hat eine geile Zeit da unten. Überall glitzert es, geht man um eine Ecke, scheint alles wie ein erstarrter Wasserfluss. Teilweise kann man richtig weit ins Eis, das einen in allen Richtungen umgibt, gucken. Irgendwie hat man gar nicht das Gefühl, dass es überhaupt Eis ist, so klar ist es und auch unbeschreiblich glatt. Vielleicht liegt es aber auch darin, dass es ungemein warm ist: nur zwei, drei Grad unter Null.

Kommt man nach dieser kleinen Entdeckungsreise wieder in den Eingang wird man vom Licht quasi umgehauen. Halb erblindet kann man sich dann an den eingefrorenen Bandschlingen nach oben hangeln und ziehen.
Oben angekommen machen wir uns schnell auf den Weg zurück, der auch gar nicht mehr sooo lang war um noch zum allwöchentlichen Friday gathering zu kommen. War schön wieder nach der ganzen Osterzeit am Feuer zu sitzen, mit ein paar Leuten zu quatschen und ein auf Eis gekühltes norwegisches Bier zu trinken.
Samstag war er endlich – der Tag den unsere Küche, nein unser ganzer Flur herbeigesehnt hat. Den Tag der Wahrheit! Vor ein paar Wochen sind unser Pläne, die irgendwann ziemlich am Anfang schon entstanden sind, konkreter geworden und wir verfassten den ersten Brief an den Sysselmann, den Gouverneur von Spitzbergen, um ihn zum essen in unsere Küche einzuladen. Und kaum einen halben Tag später hatten wir seine Zusage in der mailbox. Sysselmann kommt mit seiner Frau! Wie geil – ist quasi wie grillen mit Gerd und Doris im Schrebergarten und dabei ein frisch Gezapftes.
Mittags haben wir schon die ersten Sachen vorbereitet, auch um auf den zweiten Scooter zum Skifahren zu warten, denn wir brachten ja wieder einen Liftersatz (sonst muss man ja laufen). Die ganze Küche war in extrem guter Laune, hier wurde gebacken, da geräumt, Tischkärtchen geschrieben, da die ersten Sachen klein geschnibbelt und nicht zu guter Letzt alles auf einen Reinheitsstand gebracht, den die Küche wahrscheinlich bei der Fertigstellung nicht mal hatte. Als der Scooter endlich vom Einkaufen zurück war gings ab zum skifahren, den über Nacht gefallenen ersehnten Schnee genießen. An einem schmalen Taleinschnitt mussten wir aber enttäuscht abbrechen, da wir quasi nur in der Scooterspur fahren konnten, links und rechts waren oben überall noch Steine zu sehen (Steinslalom ist net ganz so doll) und unten waren vor einiger Zeit Lawinen abgegangen, deren Überreste einfach verfroren sind – also auch nicht gut.
In Vardalen hatten wir mehr Glück, Schnee war geil, Sonne kam raus und auch das Gelände war schon deutlich schöner. Aber natürlich musste die Sache einen Haken haben, genauer gesagt einen Zeiger und der war an der Uhr. Verdammisch, endlich geilen Platz gefunden, da mussten wir auch schon zurück um das Brot noch rechtzeitig für die Majestät zu backen. Um es kurz zu machen, der Abend wurde großartig! Aus diversen Ecken kam aus jedem Zimmer doch noch ein mehr oder weniger noch zuhause gebügeltes Hemd zum Vorschein. Mama lässt grüßen! Selbst in unseren kühnsten Träumen hätten wir uns nicht einen so entspannten Abend erdenken können. Es wurde viel gequatscht, viel gegessen und viel Wein getrunken. Schon relativ früh am Abend war ich mir relativ sicher mein größtes Ziel zu erreichen, ein Foto mit Sysselmann und der Kapitänsmütze, die schon immer und ewig bei uns im Zimmer rumliegt und eigentlich jemand aufziehen muss, wenn er große Scheiße erzählt hat, oder was deppes passiert ist. Und mein Traum wurde war, auch wenn ich mich ganz schön zusammenreißen musste, ihn nicht zu fragen, ob er den „Mökkermann-Hut“ (Scheiße-Mann-Hut, wie er bei uns genannt wird) sondern die „Kapitänsmütze“ anziehen könnte… Nie hätte ich gedacht, dass ein Politiker auch einfach so ein ganz cooler Mann sein könnte.

Sonntag hatten wir wieder ungemeines Glück mit dem Wetter. Eigentlich waren Sturm und ansteigende Temperatur gemeldet, der Sturm war mittags schon weg und wir konnten endlich einem ganzen Tag mit der Powder&Co KG entgegensehen. Glücklicherweise konnten wir wieder zwei Scooter bekommen, dass wir mehr als eine Abfahrt haben und der Oli nicht laufen musste. Und war der Schnee geil, muuuha! Eine „Geländefahrt“ nach der anderen im unverspurten Glück! Skifahren am Nordpol ist schon was besonders, besonders weil fürn Oli die Saison ja schon lange vorbei war. Meine wird so schnell nicht enden, haben seit Wochen noch um -10 Grad und da ist so schnell kein Ende in Sicht. Und sollte es wärmer werden, bleiben uns ja immer noch die Gletscher. Lässig auch, dass jede „Liftfahrt“ zum Ersatz für die nicht gemachte Scootertour wurde. Auch wenn wir nicht soooo viel gemacht haben, das Skifahren hat wieder rausgerissen.

Am späten Abend sind wir bei Sonnenuntergangsstimmung noch in die kleine Mine gegangen, in der ich schon in meinen ersten Tagen hier oben war. Ist schon ne ganze Weile her, sind wirklich schon dreieinhalb Monate vergangen? Die Mine kann von Longyearbyen aus gesehen werden und jeden Winter werden ein paar Glühbirnen installiert um die Miene zu beleuchten. Den Kindern wird dann erzählt, dass der Nikolaus dort oben wohnt und sie jetzt besonders brav sein müssen…
Das wars auch schon wieder, Oli musste sich erneut als Kämpfer beweisen, als er ins Flugzeug stieg, da ihn zuhause vielleicht 30 Grad wärmere Bedingungen empfangen, krass zuhause ist Sommer und hier hat sich noch nicht sooo viel getan, außer dass es jetzt halt hell ist rund um die Uhr…

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