Donnerstag, 29. März 2007

Nirvana am Nordpol


Der Kummer über das nicht zu Stande gekommene Duell mit den Russen hat nicht lange angehalten. Verdammisch, was war das aber für eine letzte Woche?! Montag hatte die Woche schon gewonnen, obwohl sie erst so jung war. Da bin ich nämlich als (noch nicht mitgliedsbeitag-bezahltes) Mitglied vom Norwegischen Roten Kreuz in Longyearbyen zu einer Eishöhle gefahren. Ganz in der Nähe ist einen Tag vorher eine recht große Lawine von zwei UNIS-Studenten ausgelöst worden, zum Glück wurden beide aber nicht erfasst. Ungeschickter- und sinnfreierweise hatte nur einer der beiden einen Tranciever dabei…Glück gehabt!
Die Eishöhle wird zurzeit auch von einigen Touristengruppen betreten. Touristengruppen? Mh, leider! Auch wenn man hier quasi am Nordpol ist wimmelt es zusehends von Touristen. Passt irgendwie nicht ganz so hierher…


Der Eingang sieht so ein wenig gewöhnungsbedürftig aus, im Prinzip ist da nur ein dunkles Loch im Gletscherboden, was irgendwann einen Knick macht – mehr sieht man erstmal nicht. An beiden Wänden des Kanals sind Bandschlingen eingefroren an denen man sich festhalten kann, wenn man sich in die Röhre hinab lässt. Da soll ich also rein…Ich war zwar schon in Italien in einigen Höhlen, das waren aber immer Tropfsteinhöhlen mit richtigen Wegen, Leitern und richtigen Geländern. Hier gibt’s unten nichts davon, es gibt eigentlich nur eine Einschränkung: die Größe. Leute mit Klaustrophobie sind hier wohl nicht am besten aufgehoben. Dort unten kommt man in eine ganz andere Welt. Dazu trägt neben den gar hübschen Eisformationen, die wie stehen gebliebenes Wasser aussehen, natürlich auch bei, dass es keine fest installierte Beleuchtung gibt. Die eigene Kopflampe ist das einzige was man hat. Umso deutlicher wird das Spiel von Licht und Schatten, hier ein Funkeln, dort ein Glitzern, Schimmer überall. Die Decken und Wände wechseln von tausenden Minikristallen zu großen Eisstalagtitten und Formationen die unweigerlich an wellige Vorhänge aus Wasser erinnern. Doch vor all die schönen Dinge hat der Höhlenmensch und der erste Neandertaler aus der Grotte die Arbeit gestellt und so kriecht man auf dem Bauch liegend, den Rucksack vor sich herschiebend (weil man sonst nicht durchpasst…) von Raum zu Raum, von Gang zu Gang. Hinter jeder Windung gibt es wieder etwas Wunderschönes zu erstaunen. Wenn man so auf seinem Bauch auf einer spiegelglatten Eisfläche liegt, kommt man sich fast vor wie ein auf dem Rücken liegender Käfer, der nicht mehr vorwärts kommt, weil man einfach nix hat um sich abzustoßen. Über deinem Kopf ist direkt die Decke und die Wände links und rechts kannst du nicht erreichen, weil die Decke halbkreisförmig ausläuft und so beide Seiten super flach zulaufen. Auch eine kleine Teepause in einem größeren Bereich ist ein kleiner Traum, da sitzen dann ein paar mit Kopflampen bewaffnete Leute dreckig im Kreis und der Tee dampft vor sich hin. Alle Lichtkegel gehen in verschiedene Richtungen – herrlich überall glitzerts!


Dienstag bekam ich von einem Deutschen hier ne Mail, ob ich Lust hätte auf ne kleine Tour mit einem Raupenfahrzeug hätte um seine Masterarbeitshütte, die seit zwei Jahren auf irgendeinem Berg steht, abzubauen. Geil, an so eine Fahrt kommt man ja auch nicht so leicht dran, außer bei Exkursionen und dann ist eben auch Exkursion. Wir also durch tiefen Schnee über unzählige Pässe und durch schmale Täler, weite Täler, lange Täler, kurze Täler. Besteht denn ganz Spitzbergen nur aus Tälern?! Das gute an Tälern ist aber auch im Umkehrschluss, dass links und rechts Berge sind, was ja wiederum sehr ansprechend ist für Seele, Körper und Geist. Anstatt die Hütte aber irgendwie auseinander zu nehmen oder abzureißen, wird das gute Stück auf einen überdimensionalen Holzschlitten mit vereinten Kräften und Hebeln gehievt, mit 3 breiten Bändern verzurrt und noch mal mit Brettern am Schlitten festgenagelt. So macht sich die gute Hütte, die als Meteorologische Ministation auch schon 4000 durch die Antarktis (!) also am anderen Ende der Welt gereist ist, auf den Weg vom Berg zum Meer, wo sie jetzt auf einen neuen Besitzer wartet. Zwischendurch wurde es sogar ein wenig melancholisch als der ehemalige Student Abschied von der Hütte nimmt und auf die letzten zwei Jahre nochmal zurückblickt.


Mittwoch war es endlich soweit und ich konnte ein Gerücht, dass sich sogleich unglaubwürdig und hoffnungsvoll anhört beweisen: In Spitzbergen gibt es in einer Hotellounge - die etwas Mo Cocktailbar nachempfunden ist – deutsches Weizenbier!!! Wenn es eine Karte geben würde, würde draufstehen: Erdinger helles Hefe, dunkles Hefe und Kristallweizen! Hammer! Ach, endlich nach dem ganzen Eisbärenbier mal wieder was Richtiges zwischen den Kiemen zu haben ist ein kleiner großer Traum in einem wunderbaren Glas. Der arme Italiener machte erste Erfahrungen mit dem im Verhältnis doch recht „sprudelnden“ Bier und irgendwie war er erstmal damit überfordert. Nudeln mögen sie selbst im Schlaf kochen können wie ne Zehn aber Biertrinken ist nicht ihr Metier…


Vorteilhafterweise hatte ich nur Montag und Dienstag Vorlesungen, musste aber eine Präsentation vorbereiten und einige Artikel lesen. Aber wenn es dazwischen nur irgendwie eine Pause von anderthalb Stunden gab, war ich auf Skiern. Morgens um acht war ich sogar übermotiviert schon am Start. Abends vorm Abendessen noch mal an einem anderen Tag - herrlich! Mittlerweile kennt man sich auch ein bisschen mehr aus und kann das Terrain besser einschätzen. Bei dem ganzen Skifahren ließ sich auch der Schneegott, der sich wohl wieder vom selbst gebrannten russischen Vodka erholt hat und jetzt auf unserer Seite die Fäden zieht, nicht lumpen und holte so einiges aus der Trickkiste. Danach sah es am Wochenende ganz und gar nicht aus, denn Freitagnacht hats hier mal ordentlich geblasen und Eisbären und Schneefüchse geregnet. Lächerlich, ich bin am Nordpol und plötzlich regnets. Das Thermometer drohte fast vor Hitze überzukochen. Doch schnell hatte sich das Wetter wieder besonnen und eingesehen, dass es sich total verfahren hat und es ist zu normalen 10 Grad Minus zurückgekehrt. Innerhalb von einem halben Wochenende fast 20 Grad Temperaturunterschied. Danach folgte jedoch Großartiges: Schnee. Leider stieg damit auch ungemein die Lawinengefahr. Aber damit muss man hier oben zu Recht kommen und danach richtet man auch seine Touren aus.



Temperaturverlauf und vor allem Windrichtung (auch Windverlauf der letzten 24h) sind ganz wichtig vor jeder Tour. So durfte ich die letzten paar Tage an denen ich quasi täglich am Berg war das beste Skifahren seit ich hier bin erleben! Zu dem geilen Schnee kommt natürlich noch ganz entscheidend hinzu, dass man wirklich das Meer sieht, alle Hänge quasi unverspurt sind (je nachdem wann man aufgebrochen ist) und das Panorama einfach nur atemberaubend ist. Obwohl ich jetzt oft schon am selben Platz war, ist es jeden Tag anders – innerhalb von nur 12 Stunden haben sich die Schneebedingungen durch den starken Windeinfluss total geändert. Traumhaft ist auch, dass ich in der hintersten Barakke am Ende unseres kleinen Vorortes wohne und ich die Skier vor der Haustür anschnalle. Ein mehr oder weniger gepackter Rucksack mit Schaufel, Suchsonde, Extrajacke und -handschuhen steht quasi bereit, einen eigenen Tranciever hab ich auch – eigentlich kann ich immer los, wie im Paradies. Morgen bin ich wieder am Start, wir wollen einen anderen Berg mal in Angriff nehmen, der ein bisschen weiter weg ist. Danach muss ich mich spurten um die letzten Sachen zu packen, denn in der Nacht flieg ich nach Tromsö um eine schöne Frau zu küssen. Von Tromsö aus werden wir in einem monströsen Ford Ka die nächsten zehn Tage die Fjorde Richtung Nordkapp unsicher machen und sehen wohin uns das Leben zieht. Ich freu mich!




Wenn ichs dort oben (ist ja von mir aus unten…naja) nicht schaffe ein Internetkaffe zu finden oder zu sehr mit angeln beschäftigt bin, wünsch ich allen Osterhasen FROHE OSTERN.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Jedes Mal wieder ein Traum, deine Tagebucheinträge zu lesen. Sorry, dass wir's nicht länger in Tromsö ausgehalten haben.

Anonym hat gesagt…

Hallo??? Hat der einfach das "-n" bei mir unterschlagen.

Anonym hat gesagt…

buona pasqua, osterhase!

Anonym hat gesagt…

Frohes Osterei!!!!